China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Old China Hand vorgestellt: Felix Kurz (69).
Wer als Ausländer in Corona-Zeiten drei Monate beruflich durch China reisen darf, muss schon eine privilegierte Stellung haben. Felix Kurz gehört zu dieser seltenen Spezies. Er tourte um die Jahreswende 2021/22 mehrere Monate durch China, war während dieser Zeit unter anderem in Shanghai, Chengdu, Zhengzhou, Zhuhai und Beijing, um seinen Beratungsgeschäften nachzugehen. Kurz hat ein exzellentes Netzwerk – hier wie drüben. Er sagt: „Ich habe abgefahrene Beziehungen nach China. Ich komme mit Hilfe meiner Freunde in China dahin, wo ich hinmöchte“. Klingt überheblich, ist aber wahr. Wie kam es dazu?
Es fing alles mit einer China-Reise 1990 an. Der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Karl-Ludwig Wagner reiste nach Fujian, um eine Partnerschaft zu besiegeln. Mit im Tross: vier Journalisten. Einer davon war Felix Kurz, damals Korrespondent im Mainzer Büro des Spiegels. Für Kurz, der schon zuvor ein Faible für Asien hatte und sich für dessen verschiedene Philosophien interessierte, war danach klar: „Da will ich wieder hin.“ Es dauerte aber fast ein Jahrzehnt, bis er diesen Entschluss realisieren konnte. Inzwischen war er als Spiegel-Korrespondent in Stuttgart gelandet. Dort kam er mit der deutsch-chinesischen Freundschaftsgesellschaft in Kontakt, machte dort mit und reiste mit ihnen immer wieder nach China. „Mittlerweile habe ich über 100 Reisen nach China gemacht“, sagt Kurz. Darunter private (sein Bruder Jürgen arbeitet in Shanghai) wie berufliche. Nachdem er Anfang 2007 seinen Job beim Spiegel quittierte, für den er Korrespondent in Mainz, Frankfurt, Erfurt und Stuttgart war, machte er sich mit seiner Agentur kurzup in Mannheim selbstständig. Später gründete er mit einem Partner noch eine zweite Agentur namens Mei Wenti (deutsch: kein Problem). Vor allem letztere berät Unternehmen bei Kontakten und Kooperationen mit China. Er plaudert aus dem Alltag: Ein deutsches Unternehmen hatte Probleme mit den Kartellbehörden in China. Anruf bei Kurz. Der antwortet: Ich habe keine Ahnung vom chinesischen Kartellrecht, aber ich weiß, wen man ansprechen muss, der wiederum die Kartellbehörden kennt. Sechs Wochen später war das Problem gelöst. Das große Asset von Felix Kurz ist dessen Netzwerk, das er sich im Laufe der Jahre aufgebaut hat. Schon früh lernte er den scheidenden Ministerpräsidenten Li Keqiang kennen, als der noch keine ganz große Nummer war. Li Keqiang war wiederum ein guter Freund von Shi Mingde, dem langjährigen Botschafter Chinas in Berlin. So erweiterte sich stetig sein Netzwerk. Kurz verfuhr dabei nach dem Motto, das er auch als Journalist pflegte: „Ich habe nie jemanden aufs Kreuz gelegt.“ Und eine weitere Regel ist für ihn: „Nicht nur Quatschen, sondern Handeln.“
Der frühere Handballspieler erkannte, dass der Sport ein guter, unpolitischer Brückenbauer sein kann. Vor zehn Jahren – damals galt es 40 Jahre diplomatische Beziehungen zu feiern – startete er mit einem deutsch-chinesischen Fußball-Jugendturnier gemeinsam mit dem ehemaligen chinesischen Nationaltrainer Klaus Schlappner („Schlappi“) und dem ehemaligen Ersten Bürgermeister Mannheim Norbert Egger. Kurz trieb Sponsoren auf, gewann Schirmherren wie die Ministerpräsidenten Dreyer, Kretschmann und Bouffier. Sechsmal fand das Turnier inzwischen statt, dreimal in Deutschland, dreimal in China.
Diese Aktivitäten sprachen sich offenbar bei Eintracht Frankfurt herum. 2017 bekam Kurz jedenfalls einen Anruf von Axel Hellmann, damals Marketing-Vorstand des Bundesligisten. Kurz sei ihm empfohlen worden, sagte Hellmann, ob man sich nicht mal treffen könnte. Gemeinsam entwickelten sie ein Konzept für den chinesischen „Markteintritt“ der Eintracht. Er lief unter anderem über das Bildungsministerium. Zwei Fußballakademien in Sichuan und Shenzhen wurden gegründet. Kurz: „Die Strategie war von Anfang an grassroots.“ Also Basisarbeit an den Schulen. Dazu zählt auch die Produktion von 50 kurzen Lehr-Videos, die jede Schule in China nutzen kann.
Kurz ist ein deutsch-chinesischer Tausendsassa. Klar, dass er auch Vorsitzender der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft der Metropolregion Rhein-Neckar ist. In dieser Funktion war er mitentscheidend bei der 2016 gegründeten Arbeitsgemeinschaft Deutscher China-Gesellschaften (ADCG), dem Dachverband der deutsch-chinesischen Gesellschaften. Dort ist er „nur“ einer der Vizepräsidenten. Das passt gut zu dem Strippenzieher im Hintergrund.