WIRTSCHAFT I Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft: Abkoppeln – aber wie?

Noch nie trat ein Bundeskanzler auf einer Asien-Pazifik-Konferenz (APK) der deutschen Wirtschaft auf. Aber bei der 17. Auflage war es soweit. Auf der Durchreise von Vietnam zum G20-Gipfel nach Bali machte Olaf Scholz einen kurzen Zwischenstopp in Singapur. Am Montag dieser Woche tauchte er im Raffles City Convention Centre in Singapur auf und hielt eine Rede. Dort sagte er: „Meine Botschaft lautet: Deutschland ist sehr daran interessiert, seine wirtschaftlichen Verbindungen mit ihrer Region zu verstärken.“ Mit der Region meint er Südostasien. Das Stichwort, das sich durch viele seiner Reden zieht, heißt Diversifizierung. Konkret: Weniger China, mehr Asien. Scholz: „Die asiatisch-pazifische Region umfasst weit mehr als nur China.“ Allerdings fügte er hinzu, was er auch immer sagt: „Diversifizierung bedeutet jedoch nicht Abkopplung“ von China.

Scholz sagte damit nur in anderen Worten, was sein Vizekanzler Robert Habeck schon die gesamte Konferenz über immer wieder kundgetan hat. Habeck reiste bereits am Samstag an. Am Abend genoss er dann bei der Welcome Reception – Sponsor: Deutsche Bank – den atemberaubenden Blick vom Dach des Luxushotels Marina Bay Sands. Habeck war übrigens zum ersten Mal in Südostasien, zeigte sich lernbegierig und bescheiden, setzte sich ganz unprätentiös an die Tische und hörte zu. Er punktete mit diesem Verhalten bei den deutschen Wirtschaftsvertretern. Am Sonntag und Montag war er dann als Co-Vorsitzender der APK immer mal wieder auf dem Podium. Dort analysierte er zunächst: „Wir haben in bestimmten Sektoren, die sich als kritisch erweisen können, eine sehr große Abhängigkeit von China.“ Daraus folgert er: „Wir müssen unsere Handelspolitik neu aufstellen. Wir brauchen andere Länder, andere Partner.“ Und die sieht er auch in der Region Südostasien. Habeck wie Scholz, die in ihren Luftwaffen-Flugzeugen jeweils von Unternehmen begleitet wurden, forderten also mehr Investments deutscher Firmen außerhalb Chinas. Prompt titelte „Der Spiegel“ über die Fernost-Reise der beiden: „Die Anti-China-Tournee“. Scholz kam ja gerade aus Vietnam, wo er antichambrierte. Während der Konferenz fiel auch auf, wie groß im Gegensatz zu den früheren APKs diesmal die indische Delegation war. Bei den diversen Lunches, die immer einem Land oder einer Region gewidmet waren, war der indische Lunch der bestbesuchte.

Aber wie sehen die Unternehmen das Petitum der Politik nach Diversifizierung? Einen Tag vor der Abreise Habecks nach Singapur konnte er in der FAZ einen Gastbeitrag von acht deutschen Konzernchefs lesen. Bislang gingen nur einzelne CEOs in die öffentliche Bütt. Martin Brudermüller (BASF) zum Beispiel. Oder auch Siemens-Chef Roland Busch. Doch auf Betreiben dieser beiden Herren – und in Abstimmung mit dem APA (Asien-Pazifik-Ausschuss) des BDI (Bundesverband der deutschen Industrie) – wurde dieser gemeinsame Beitrag aufgesetzt, um der Stimme der deutschen Konzernwelt ein größeres Gewicht zu geben. Darin erklären die Konzernchefs warum sie in China sind und auch bleiben wollen: „Von allen Märkten ist China in den vergangenen 50 Jahren der weltweit zweitgrößte und dynamischste geworden. Deswegen ist unsere Präsenz im eigenen Interesse der deutschen Wirtschaft besonders wichtig.“ Sie finden es richtig, dass Deutschland heute sein Verhältnis zu China differenzierter definiere, nämlich in den drei Dimensionen Wettbewerb, Kooperation und Systemrivalität. Aber sie bemängeln: „Doch in er aktuellen Diskussion nehmen wir eine fast ausschließliche Betonung der Rivalität der Systeme wahr – in Worten und konkreten Maßnahmen.“ Auch habe die deutsche Wirtschaft nichts gegen eine Diversifizierung: Es gelte, sich zunächst einen Überblick über Abhängigkeiten von China zu verschaffen, um dann Bereiche des Rückzugs zu priorisieren.

Auf der APK wurde dann klar, dass es mit der politisch gewünschten Diversifizierung nicht so einfach ist. Stefan Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung von Bosch, sagte: „Man kann den größten Markt der Welt nicht durch einen anderen ersetzen. Hätten wir Alternativen, wären wir doch längst dort.“ Bosch ist ein gutes Beispiel. Der Konzern aus Stuttgart ist längst in allen südostasiatischen Ländern mit Produktion und Forschung zahlreich vertreten. Siemens-CEO Roland Busch verwies auf den Zeitfaktor: „Diversifizierung ist keine Sache von drei, vier oder fünf Jahren.“ Er sprach eher von zehn bis 20 Jahren.

In zwei Jahren findet übrigens die nächste APK statt. Eigentlich wird am Ende jeder APK der Ort der nächsten Konferenz verkündet. Doch APA-Koordinator Friedolin Strack musste diesmal passen, man sei noch nicht soweit. Gerüchte kursierten freilich durch die Räume: 2024 könnte die APK in Shanghai aufschlagen. 

Info:

Die Rede von Olaf Scholz auf der Asien-Pazifik-Konferenz: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/rede-von-bundeskanzler-scholz-auf-der-asien-pazifik-konferenz-der-deutschen-wirtschaft-am-14-november-2022-in-singapur-2142644

Hier ist der Gastbeitrag der acht deutschen Konzernchefs – allerdings hinter der Bezahlschranke:

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/dax-manager-zu-globalisierung-rueckzug-aus-china-schneidet-uns-ab-18448754.html?printPagedArticle=true#pageIndex_3

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