Einmal durfte ich Nicola Leibinger-Kammüller zu einem Interview treffen. Und ich muss zugeben: Ich war sehr beeindruckt von der Frau, die den Hightech-Konzern Trumpf im schwäbischen Ditzingen führt. Da saß mir eine Frau gegenüber, die nachdenklich und vordenkend zugleich war, die in politischen Kategorien dachte und die sich auch nicht scheut, ihre Meinung öffentlich kundzutun. An diese erfreuliche Begegnung von vor vier Jahren erinnerte ich mich wieder, als ich mir diese Woche die eineinhalbstündige Bilanz-Pressekonferenz von Trumpf ansah. Dort konnte Nicola Leibinger-Kammüller einen Umsatz von 4,2 Milliarden Euro vermelden. Knapp 600 Millionen davon machte Trumpf in China. Es war klar, dass sie in diesen China-kritischen Zeiten von den Journalisten auf dieses Land angesprochen wurde: Ist das nicht zu viel Abhängigkeit? Soll man mit autokratischen Ländern überhaupt Handel treiben? Ob sie mit Scholz nach Beijing reise? Was passiert, wenn China Taiwan angreift? Sie redet bei der Beantwortung Klartext. Zur Abhängigkeit: „Wir haben uns als Land, als Wirtschaft zu stark in die Hände von China begeben.“ Diese sei zu reduzieren, bedeute aber kein Decoupling, denn dies hätte „gravierende Konsequenzen“ für den Standort Deutschland. Der hohe Lebensstandard könne dann hierzulande nicht mehr gehalten werden. Zum Handel mit autokratischen Ländern: „Nur sechs Prozent der Länder sind astreine Demokratien. Wir können nicht nur mit diesen sechs Prozent Handel treiben.“ Zur Scholz-Reise: Sie nehme nicht daran teil, weil das für ein mittelständisches Unternehmen anders als für Konzerne nicht so viel bringe. Aber grundsätzlich bejaht sie die umstrittene Reise: „Ich halte das für klug. Man muss immer miteinander reden.“ Zu Taiwan: „Für die westliche Welt muss eine Attacke auf Taiwan die rote Linie sein.“ Das waren deutliche, aber auch ausgewogene Worte, die zeigen, in welchem Spannungsverhältnis zwischen Interessen und Werten sich deutsche Unternehmen bewegen. Warum ich das alles in relativer Ausführlichkeit beschreibe? Weil ich mir wünsche, dass sich mehr – jetzt gendere ich zum ersten Mal – ManagerInnen und UnternehmerInnen in die aktuelle China-Diskussion einbringen. Wie eben die vorbildliche und unerschrockene Nicola Leibinger-Kammüller.
Wolfgang Hirn