Das Rund im Berliner Tempodrom war an diesem Freitagabend voll besetzt. Auf dem riesigen Screen stand zu Beginn der Veranstaltung „A New Horizon NIO Berlin 2022“. Chinas Elektroautobauer Nio zelebrierte an diesem Abend seinen europäischen Markteintritt. Kurz nach 18 Uhr trat William Li, der Gründer von Nio, auf die Bühne. Er erzählte in Englisch kurz die Nio-Geschichte, die im November 2014 begonnen hatte. Dann folgte Design-Chef Andreas Nilsson, der von der Zukunft des Autos als „second living space“ schwärmte. Ted Li, Head of Product Experience, erklärte die vielen technologischen Neuheiten der Nio-Autos. Und dann ließ Chefingenieur Danilo Teobaldi schließlich die Karossen vorfahren, die den europäischen Markt erobern sollen: EL7, ET 7 und ET5. Aber hier soll es nicht um die Autos gehen, sondern um das Verkaufen dieser Autos. Und da hat Nio ein ziemlich einzigartiges Modell entwickelt. Natürlich kann man ein Nio-Auto kaufen, aber man kann es auch abonnieren. Dazu wurde ein Subscription-Modell entwickelt. Fast alles ist möglich – von einem Monat bis 60 Monate. Ein Beispiel: Entscheidet sich der Kunde für einen ET7 und einen 36-Monate-Vertrag zahlt er monatlich 1199 Euro. „Flexibility is the new premium“, sagte Deutschland-Chef Ralph Kranz bei der Vorstellung in Berlin. Neben diesem Flex-Modell wartet Nio mit einer weiteren Neuerung auf: dem Community-Building. Die Nio-Kunden – im Nio-Jargon „user“ genannt – sollen durch diverse Aktivitäten an das Unternehmen und die Marke gebunden werden. Dazu gibt es sogenannte User Advisory Boards (UAB), für die man sich bewerben kann. Derzeit hat das UAB in Europa rund 270 Mitglieder. Sie stehen in regem Austausch mit den Machern der Autos, ob Designer oder Techniker. Schon fast legendär ist der jährliche Nio Day, an dem sich die Fangemeinde tagelang an einem Ort, der von ihr gewählt wird, versammelt. Dieses Jahr wurde in Hefei gefeiert. William Li kündigte in Berlin an, dass diese Feierkultur auch auf andere Länder übertragen werden soll. Bis 2025 soll es in 25 Ländern und Regionen einen „Nio Summer“ geben. Sichtbares Zeichen der Community-Building ist freilich das Nio House. „This is the space for the community“, sagte William Li in Berlin. 83 dieser Häuser gibt es inzwischen. Die große Mehrzahl davon in China. In Europa steht das erste in Oslo. Zügig sollen weitere folgen. In Berlin entsteht derzeit eines unmittelbar neben der Gedächtniskirche. Hamburg, Frankfurt und Düsseldorf sind die nächsten deutschen Standorte, Amsterdam, Rotterdam, Kopenhagen, Göteborg und Stockholm weitere europäische Locations. Die Nio Houses sind mehr als nur Autohäuser. Auf mehreren Etagen befinden sich Cafés, Bibliotheken, Kinderspielecken und Meetingräume. Außerdem werden Produkte aus der Serie Nio Life angeboten. Unter dem Label Nio verkauft dort der Autohersteller viele Designer-Produkte – vom Roller über Klamotten und Taschen bis hin zu Wein. Diese Aktivitäten kosten das Unternehmen zunächst mal viel Geld. Ob sie sich auszahlen? Manche Beobachter der Szene sind skeptisch. Nio-Präsident Lihon Qin hingegen vom Erfolg überzeugt. In einem langen Interview mit McKinsey-Beratern erläutert er, warum sich Nio für dieses „unique user-centric operating model“ entschieden hat: „Nio focused on building its own ecosystem from the very beginning, including the Nio app, Nio House, the Worry-Free Service, and NIO Life. These not only help us boost user satisfaction and create a brand premium but also benefit us significantly by unlocking value throughout the user life cycle.”
Info:
Hier die Berliner Präsentation: https://vimeo.com/758137503
Das Interview mit NIO-Präsident Lihon Qin: https://www.mckinsey.com/industries/automotive-and-assembly/our-insights/nio-unlocks-its-potential-through-standout-user-operations?cid=soc-web