POLITIK I ScholZ reist als Eintagsflieger nach China

Am 3. November wird Olaf Scholz nach China reisen. Zwar wird er nur einen Tag in Beijing verbringen: Morgens kommt er an, abends fliegt er wieder zurück. Aber in dem Falle zählt die Symbolik. So kurz nach dem 20. Parteitag dem erneut inthronisierten KP-Chef als einer der ersten auswärtigen Regierungschefs seine Aufwartung zu machen, ist ein starkes Zeichen. Ein Zeichen, das manche in Berlin – vor allem im Auswärtigen Amt – nicht so gerne sehen. Aber es wurde auch Zeit, dass Bundeskanzler Scholz in Sachen China seine Richtlinienkompetenz zeigt. Bislang haben vor allem das Außenministerium, in dem ja derzeit federführend erst eine Sicherheits- und dann eine China-Strategie entwickelt werden, und das Bundeswirtschaftsministerium, das sich gegen den Einstieg des Staatskonzerns Cosco an einem Container-Terminal im Hamburger Hafen sperrt, die China-Politik bestimmt. Aber seit ein paar Wochen versucht das Bundeskanzleramt, die Diskurs-Hoheit zurückzugewinnen. Dort haben die drei Sozialdemokraten Olaf Scholz, Wolfgang Schmidt (Kanzleramtsminister) und Jens Plötner (außen- und sicherheitspolitischer Berater) eine etwas andere Auffassung zum Umgang mit China als die beiden grünen Minister Baerbock und Habeck. Ein Tag, nachdem seine China-Reise publik wurde, sagte Scholz auf dem Deutschen Maschinenbaugipfel in Berlin: „Die Globalisierung war ein Erfolg. Sie hat Wohlstand für viele ermöglicht. Wir müssen sie verteidigen. De-coupling ist die falsche Antwort. Wir müssen uns nicht von einigen Ländern abkoppeln, müssen Geschäfte mit Einzelnen – ich sage ausdrücklich: auch Geschäfte mit China – weiter machen.“

In China hat man Scholz wegen seines Lavierens und Zögerns, Position zu beziehen, schon als „Schwächling“ charakterisiert und sich offen für eine stärkere Hinwendung zu Emmanuel Macron ausgesprochen. So schrieb kürzlich Merics-Forscher Thomas des Garets Geddes: „Chinese scholars look for a new Merkel in Macron.“ An Macron würden die Chinesen dessen relative Vorhersehbarkeit seines Handelns, seinen gewissen US-Skeptizismus und die Priorisierung nationaler Interessen vor Ideologien schätzen. Es ist durchaus möglich, dass dieser Hinweis auf Macron, der wohl auch bald nach China reisen wird, auch beim kürzlichen Besuch von Shi Mingde eine Rolle gespielt hat. Der ehemalige chinesische Botschafter war im September im politischen Berlin – unter anderem auch im Kanzleramt – unterwegs, um Stimmungen auszuloten, aber auch um Stimmung zu machen. Dabei sei der eigentlich sehr umgängliche Shi – so Noah Barkin in seinem Newsletter „Watching China in Europe“ – gar nicht diplomatisch aufgetreten. Noah zitiert einen Gesprächspartner Shi Mingdes: “He made clear that Germany needed to get its act together or we would be left behind.“ Das „left behind“ bezog sich wohl auf Macron. China wird zunehmend ungeduldig mit Europa. Auf EU-Ebene herrscht nahezu Stillstand. Es finden kaum mehr Gespräche statt. Und von den vier großen europäischen Wirtschaftsnationen sind zwei nach den jüngsten Wahlergebnissen inzwischen dezidiert im China-kritischen Lager. Großbritanniens Premierministerin Liz Truss hat sich schon während ihres parteiinternen Wahlkampfes sehr negativ geäußert. Im Amt setzte sie noch eins drauf und nennt China inzwischen eine Bedrohung für die nationale Sicherheit. Italiens designierte Regierungschefin Giorgia Meloni tickt ähnlich. So bleiben nur noch Macron und Scholz als – sagen wir mal – gemäßigte China-Versteher. Sie auch noch gegeneinander auszuspielen, wäre deshalb nicht im Interesse Chinas.

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