Die wenigsten werden mit dem Kürzel ASML etwas anfangen können. ASML steht für Advanced Semiconductor Machinery Lithography. Semiconductor? Auf Deutsch heißt das Halbleiter, was man nicht ganz korrekt auch als Chips bezeichnen kann, was ich aber im Folgenden der Einfachheit halber tun werde. ASML produziert also Maschinen für die Chip-Herstellung. Nicht irgendwelche, sondern die besten der Welt. Niemand – weder die USA, Japan oder Korea, geschweige denn China – kann das besser als das Unternehmen aus Veldhoven in den südlichen Niederlanden nahe der belgischen Grenze. 1984 gegründet, hat es heute rund 28 000 Mitarbeiter, rund 14 Milliarden Dollar Umsatz und einen Marktwert von knapp 190 Milliarden Dollar. ASML ist sicher das innovativste europäische Unternehmen, das keiner kennt. Doch in den vergangenen Monaten rutschte es immer mal wieder in die Schlagzeilen, aber nicht im Wirtschaftsteil, sondern auf den politischen Seiten der Gazetten. Denn das europäische Unternehmen gerät zunehmend in die geopolitischen Auseinandersetzungen zwischen China und den USA. Die beiden Supermächte befinden sich ja in einem Wirtschafts- und Technokrieg. Ein wichtiges, vielleicht das wichtigste Produkt in dieser Auseinandersetzung ist der Chip. Diese kleinen Dinger, die nur noch in Nanometern gemessen werden, sind ja mittlerweile in fast allen Produkten vertreten – von Low-Tech bis High-Tech, vom Handy bis zur Rakete. Es gibt deshalb weltweit eine riesige Nachfrage nach Chips. Das Angebot kann da nicht mithalten. Es kommt zu Verknappungen. Diese betreffen sowohl die USA als auch China, denn beide sind auf Importe von Chips angewiesen (vor allem aus Südkorea und Taiwan, wo mit Samsung und TSMc die beiden besten Chipfirmen residieren). Die USA sind freilich weniger von Importen abhängig als China, denn die USA haben mit Texas Instruments und Intel zwei respektable Chip-Produzenten. China dagegen baut seine Chipindustrie erst auf. Der Staat steckt schon seit Jahren Milliarden in diese zentrale Industrie. Viele Startups sind neben den etablierten Konzernen wie SMIC entstanden. Doch alle brauchen sie Maschinen zur Herstellung von Chips. Und die hat nun mal ASML. Das wissen natürlich auch die USA. Deshalb versuchen sie alles, Lieferungen von ASML-Maschinen an die Chinesen zu unterbinden. So wird massiver Druck von Washington auf ASML und auch die niederländische Regierung ausgeübt. Ein erster Erfolg aus amerikanischer Sicht ist bereits unter der Trump-Regierung gelungen. Sogenannte Extreme Ultra-Violet (EUV) Litographie-Maschinen liefert ASML nicht nach China, weil die niederländische Regierung dafür keine Exportlizenzen mehr vergibt. Diese EUV-Maschinen sind mit die komplexesten und auch teuersten Maschinen der Welt – sie kosten über 200 Millionen Euro das Stück. Mit ihnen können die Chips der Stärke 3 und 5 Nanometer hergestellt werden, was bislang nur TSMC und Samsung gelungen ist. Die Chinesen sind davon noch entfernt, also trifft sie dieses Embargo noch nicht allzu sehr. Doch nun wollen die USA die Niederlande zwingen, den Export von sogenannten Deep Ultra-Violet (DUV) Litographie-Maschinen zu verbieten. Ende Mai/Anfang Juni war eine US-Delegation unter Leitung des Vize-Handelsministers Don Graves in den Niederlanden und sprach in Veldhoven mit ASML-Chef Peter Wennink über ein Embargo von DUV-Maschinen. Diese sind eine Qualitätsstufe unterhalb der EUV-Maschinen (sorry für dieses Technik-Kauderwelsch, aber es geht nicht anders). Mit DUV-Maschinen können Chips der 7-Nanometer-Kategorie produziert werden. Und in dieser sind die chinesischen Hersteller schon fast unterwegs. Ein Embargo würde also Chinas entstehende Chipindustrie empfindlich treffen. Zwar hat ASML bei den DUV – im Gegensatz zu den EUVs – kein globales Monopol. Es gibt jedoch einen Mitwettbewerber. Der heißt Nikon, sitzt in Japan und wird aber auch schon von den Amerikanern bearbeitet. Derzeit laufen Gespräche auf höchster Ebene zwischen Washington und Den Haag. Die niederländische Regierung zaudert noch, ein Exportverbot für DUV-Maschinen auszusprechen, denn das wäre eine wirtschaftliche Kriegserklärung an China, das sicher mit Gegenmaßnahmen reagierte – und aus dem Technokrieg zwischen den USA und China würde ein Dreifrontenkrieg.
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