Kürzlich war Jim Laurie, eine amerikanische Reporterlegende, in Berlin zu Gast. Für ABC war er einst der erste China-Korrespondent eines amerikanischen TV-Senders. Sein – mich beeindruckendes – Statement lautete: „I am a believer in engagement and diplomacy with China.“ Er sagte aber auch, dass er damit in Washington, wo er lebt, ziemIich alleine dastehe. Ich, der in Berlin wohnt, denkt und fühlt ähnlich. Laurie ist 75, ich bin 68. Ich frage mich: Glauben nur noch alte Männer (und Frauen) an die Macht der Diplomatie, weil sie einer Generation angehören, die in Zeiten des Kalten Krieges den Sinn und Nutzen von bilateraler (Ostverträge!) und multilateraler Diplomatie (KSZE!) miterleben durfte. Und während ich schon fast resignierend räsoniere, lese ich eine Umfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung. Darin wurde u.a. die Frage gestellt: „Welche der folgenden Mittel sind aus Ihrer Sicht wirksam, um außenpolitische Krisen zu lösen?“ Die überwältigende Mehrheit – exakt 86,7 Prozent – favorisierte die Antwort „diplomatische Verhandlungen“. Die Anhänger der Diplomatie sind also nicht in der Minderheit. Im Gegenteil. Das Problem ist, dass die Politik die Mehrheit ignoriert. Moralisierende Sonntagsreden zu halten ist einfacher als sich in die Niederungen des diplomatischen Alltags zu begeben, wo man sich argumentativ mit Andersdenkenden auseinandersetzen muss. Das diplomatische Defizit zeigt sich auch im Umgang mit China. Die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und China sind so schlecht wie selten zuvor und die zwischen der EU und China sind auch nicht viel besser. Die offiziellen Kontakte sind auf ein Minimum reduziert. Man redet kaum mehr miteinander, sondern fast nur noch übereinander. Wobei die Chinesen mit ihrer restriktiven Covid-Strategie und der damit verbundenen Abschottung einen Teil zur Sprachlosigkeit beitragen. Aber auch der Westen duckt sich weg. Wollen wir weiter den Kopf in den Sand stecken und – nachdem wir ihn wieder rausgeholt haben – hoffen, dass China vom Globus verschwunden oder zumindest zusammengebrochen ist? Nein, wir müssen mit einem stärker werdenden China leben. Und wir müssen uns auch mit einem China arrangieren, das nicht unsere Werte und unser System teilt. Das heißt aber auch: Wir müssen mit diesem ungeliebten China reden. Das gilt vor allem bei der Menschheitsfrage Klimawandel. Wir können hierzulande noch so viele Windräder bauen und Solarzellen auf die Dächer schrauben, ohne China sind das nur Tropfen auf den heißen Stein. Annalena Baerbock sprach zu Amtsbeginn von einer Klimaaußenpolitik, die sie betreiben wolle. Ein schöner Begriff. Erster Adressat einer solchen wäre eigentlich China, der weltgrößte Kohlenstoffdioxid-Emittent. Es wird Zeit, dass den Worten diplomatische Taten folgen und wir mit China wieder in einen Dialog kommen.
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Noch ein paar Worte In eigener Sache: Nach dieser 49. Ausgabe gönne ich mir und meinem kleinen Team eine Sommerpause. Am 2. September erscheint dann die 50. Ausgabe. Das muss natürlich gefeiert werden. Und zwar am Abend dieses Tages im C*Space in der Langhansstraße in Berlin. Vorweg wird es geistige Nahrung in Form eines Streitgesprächs geben. Danach wird gegessen, getrunken und gequatscht. Jede und jeder, der diese Zeilen liest, ist hierzu willkommen. Aber ich bitte allerdings um eine Anmeldung per Mail (mail@chinahirn.de). Denn nichts wäre für einen Schwaben schlimmer, als seinen Gästen zu wenig Speis und Trank anzubieten.
Bis dahin einen schönen Sommer wünschen
Meike Bunten, Imke Vidal, Uta Zacharias und Wolfgang Hirn