DOKU I Reden der Kanzler-Souffleure

Seit Bundeskanzler Olaf Scholz das Wort von der „Zeitenwende“ ausgesprochen hatte, wurde viel diskutiert und gerätselt, was er damit genau meinte. Nun haben die Souffleure im Kanzleramt öffentlich geredet und das Kanzler-Wort interpretiert. Zuerst sprach am Sonntag (19. Juni) Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt auf der Jahreskonferenz des ECFR. Dann kam am Montag (20. Juni) Jens Plötner, der außen-und sicherheitspolitische Berater von Kanzler Scholz vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) zu Wort. Und schließlich hielt am Dienstagvormittag (21. Juni) der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil eine Grundsatzrede bei der Tiergarten-Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Was zunächst auffiel, war der rhetorische Unterschied zwischen den beiden Herren aus dem Bundeskanzleramt: Schmidt eloquent in geschliffenem Englisch, Plötner eher stammelnd in Deutsch. Aber nun zu den Inhalten. Der Ukraine-Krieg stand natürlich bei allen im Vordergrund. Aber das Thema China kam auch vor, in der Schmidt-Rede allerdings nur am Rande. Bei der Aufzählung der G7-Themen nennt er unter anderen auch die „challenge China“. Er sagt, dass Russland und China die Welt teilen wollen – in eine G7 und eine BRICS plus. Auch Jens Plötner sieht in seiner Rede am nächsten Tag diese Gefahr: „Wir müssen aufpassen, dass sich die BRICS nicht konsolidieren und sich Russland und China aufschwingen, Anwälte des globalen Südens zu sein.“ Kurz vor Ende seiner Rede sprach er noch „ein letztes Wort zu China: Wir werden uns dafür einsetzen, dass es eine differenzierende Betrachtung zu China gibt.“ Mediale Aufmerksamkeit erzeugte Jens Plötner allerdings mit seiner Aussage, die er in der anschließenden Diskussion tätigte: „Es wäre ein Fehler, China und Russland in einen Topf zu werfen.“ Es gelte nach wie vor der berühmte Dreiklang – China ist Partner, Wettbewerber und Rivale. Aber diese Dimensionen seien gleichwertig. Er betonte auch die kooperativen Elemente. In der Klimapolitik zum Beispiel müsse man mit China im Gespräch bleiben.

Den ganz großen Bogen spannte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil in seiner Grundsatzrede. Unser westliches Gesellschaftsmodell sei zwar das Beste, aber das heiße nicht, dass der Rest der Welt das automatisch auch so sehe. China zum Beispiel habe eine gänzlich andere Vision von einer Gesellschaft. Das habe man lange Zeit verkannt. Der Westen habe sich zu sicher gefühlt und auch die dritte Welt nicht mitgenommen: „Viele Staaten im globalen Süden sind und waren enttäuscht von den Verheißungen liberaler Demokratien.“ Für Klingbeil bestehe die künftige Weltordnung nicht mehr aus Polen, sondern aus Zentren. Welche Zentren das sein werden, sagte er nicht. Aber China wird eines davon sein. Klingbeil: „Wir sehen, wie strategisch China vorgeht, seinen Einfluss ausbaut, Staaten an sich bindet.“ Da müsse Europa gegenhalten, neue Allianzen und Partnerschaften schmieden und ausbauen – mit Lateinamerika, mit Asien und mit Afrika. Klingbeil äußerte sich auch zu den Wirtschaftsbeziehungen mit China: „Wir dürfen uns nie wieder in eine solche Abhängigkeit geben wie energiepolitisch mit Russland.“ Kritische Güter und kritische Infrastruktur müsse ein strategisch autonomes Europa künftig selber herstellen können. Die Abhängigkeit von China bei medizinischen Produkten und bei Technologien müsse abgebaut werden. Aber: „Das heißt nicht, mit Staaten wie China keinen Handel mehr zu treiben.“ 

Info:

Jens Plötners Rede vor der DGAP: https://www.youtube.com/watch?v=HZc3Nxsaje4

Wolfgang Schmidt vor dem ECFR (ab Minute 7:05): https://ecfr.eu/event/annual-council-meeting-2022/

Lars Klingbeil vor der FES (ab Minute 20:20):  https://www.fes.de/iez/tiergartenkonferenz-2022/liveblog oder hier in Auszügen schriftlich: https://www.ipg-journal.de/rubriken/aussen-und-sicherheitspolitik/artikel/lars-klingbeil-rede-zur-zeitenwende-6010/?utm_campaign=de_40_20220622&utm_medium=email&utm_source=newsletter

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