China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Young China Hand vorgestellt: Valentin Notz (24).
Anton Notz war ein erfahrener Politik- und Wirtschaftsjournalist. Lange Jahre war er Reporter bei den Stuttgarter Nachrichten. Danach war er vom hoffnungsfrohen Beginn bis zum bitteren Ende ein wichtiger Akteur beim Projekt Financial Times Deutschland (FTD), ehe er später die Seiten wechselte und in die PR ging. Heute ist er Kommunikationschef bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO in Hamburg. China hat ihn immer interessiert. Er nahm am Medienbotschafter-Programm der Robert Bosch Stiftung teil und lernte später Chinesisch in Beijing. Da blieb es nicht aus, dass zuhause in Hamburg öfters über China gesprochen wurde. Und Sohn Valentin hörte aufmerksam zu: „Das hat mich interessiert und auch geprägt.“ Zum Interesse an China kam schon früh das an der Wirtschaft. So war es fast logisch für Valentin Notz, einen Studiengang mit der Kombination Chinesisch und Wirtschaft zu suchen, um ihn an der Hochschule Bremen zu finden: „Da ich kein reines Sinologiestudium machen wollte, war das die ideale Lösung für mich.“ Im Wintersemester 2017 fing er dort an. Das hieß vor allem: die Sprache lernen. Jede Woche wurden die gelernten Schriftzeichen per Diktat abgefragt. Das Hören und Schreiben war für ihn nicht das Problem, aber die Aussprache: „Diese ist mir extrem schwergefallen.“ Wie schwer es war, die richtigen Töne zu treffen, wurde ihm bei seinen ersten China-Reisen bewusst. 2018 fuhr er zu einem Sommercamp an die Beijing Normal University, ein Jahr später an dieselbe Uni zum obligatorischen Auslandssemester. Dort bemängelte die Dozentin die unzureichende Aussprache und ließ ihn und seine Bremer Kommilitonen anhand einer Tafel üben, mit der in China im Kindergarten Buchstabe für Buchstabe die Aussprache gelehrt wird. Notz biss sich durch. Er sagt: „Chinesisch lernen erfordert eine Unmenge an Disziplin.“ Eine Tugend, die nicht alle hatten. Von den 50 Kommilitonen, die mit ihm anfingen, beendeten knapp 20 das Studium. Bei ihm habe es aber nie den Gedanken gegeben, das Studium abzubrechen. Er lobt den Studiengang in Bremen. „Diese Mischung aus Chinesisch und BWL war ideal.“ In den ersten vier Semestern wurden für beides die Grundlagen geschaffen. Dann folgte ein Jahr China, erst das Sprachsemester an der Uni in Beijing, dann ein Praktikum, das er mitten in Corona-Zeiten bei einem kleinen chinesischen Beratungsunternehmen in Beijing absolvierte. In den beiden letzten Semestern erfolgt dann eine weitere Spezialisierung auf Wirtschaftschinesisch und ein Wirtschafts-Wahlfach. Notz wählte Logistik. Darin schrieb er auch seine Bachelor-Arbeit, und zwar über die Bahnverbindung zwischen Chongqing und Duisburg entlang der Seidenstraße. Am 31. März gab er diese Arbeit ab, womit sein Studium formal endete.
Wie geht es nun weiter? „Ich bin nun auf Jobsuche“, sagt er. Er hat sich bei den einschlägigen Online-Portalen angemeldet – von Indeed bis Sinojobs. Er verschickt ein paar Blindbewerbungen. Aber seine ersten Erfahrungen sind ernüchternd: „Es gibt aktuell wenig passende Stellen, zumindest nicht über Stellenausschreibungen.“ Natürlich sollte seine erste Stelle einen China-Bezug haben. „Es wäre sehr schade, wenn diese wichtige Komponente meines Studiums einfach wegfallen würde.“ Optimal wäre für ihn, in Deutschland bei einem Unternehmen einzusteigen und dann nach ein, zwei Jahren für dieses nach China zu gehen.
Zum Beispiel bei VW? „Ja und nein“, sagt er, „da käme ich in ein Dilemma.“ Einerseits finde er Autohersteller sehr interessant, aber andererseits habe er Bauchschmerzen wegen des VW-Engagements in der Uiguren-Provinz Xinjiang. Es ist ein grundsätzliches Dilemma. Einerseits finde er das Land toll, sagt er. Aber andererseits habe sich sein China-Bild während des Studiums verändert. Es sei kritischer geworden. Er zählt auf: Die Überwachung und Kontrolle, das Social Credit System, die aktuellen Corona-Maßnahmen und Chinas Haltung im Ukraine-Krieg. Er will deshalb bei der Jobsuche „moralisch abwägen“. Zur Not würde er auch einen Job ohne China-Bezug nehmen. Optimistisch ist er jedenfalls: „Ich bin mir sicher, einen spannenden Job zu finden.“
Aber jetzt ist er erst einmal für ein paar Wochen zum Relaxen in die USA geflogen.