Katja Levy: Meine Lieblingsessen sind…

… die leckeren dicken Shanghaier Bratnudeln mit Pak Choi (kleiner grüner Chinakohl), Schweinefleisch und spezieller brauner Soße. Das war mein Leibgericht als ich Anfang der 1990er Jahre in Shanghai studierte. Dazu gab es Essig und „Scharf“ (la jiang) für den Geschmack und rohe Knoblauchzehen gegen Krankheiten aller Art. Das Frühstück, das auf der Straße vor der Uni verkauft wurde, war auch nicht schlecht: “Marmor“-Eier und gepresster Tofu in Tee-Sternanis-Sojasaucen-Sud gekocht und dazu süße (shao bing) oder salzige Brötchen (congyou bing), im Tonofen gebacken, und Joghurt in kleinen Tongefäßen mit Papierabdeckung und Strohhalm. Oder ein pikanter Eierkuchen (jian bing), gefüllt mit Ei, scharfer Sauce und knuspriger in Öl gebackener Hefeteigstange (youtiao). Im Herbst konnte man auf der Straße heiße Kastanien (lizi) kaufen, frisch geröstet und mit Zucker und Zimtblüten (guihua) gewürzt. Und herrlich reife Khakifrüchte (shizi) gab es auch an jeder Straßenecke. Leider sind die Verkaufsstände und die kleinen Restaurants, wo es köstliche, eher einfache Gerichte wie Teigtaschen (jiaozi) mit Knoblauchschnittlauch(jiucai)-Füllung, sauerscharfe Suppe (suanla tang) oder scharfen Tofu mit Hackfleisch (mapo doufu) gab, inzwischen fast alle aus den Innenstädten verschwunden. 

Heutzutage freue ich mich auf die unfassbare Vielfalt von Gemüsesorten in China: zum Beispiel Buddhas Hand (foshou gua), eine komische, handförmige Frucht, die eine Konsistenz von Kohlrabi hat, aber mit der porigen Schale und dem Duft einer Zitrusfrucht. Oder Bohnensämlinge (doumiao) mit nussigem Geschmack, Lufagurke (sigua) mit Rührei gebraten oder Dickebohnenpüree (douban su). Hmmm! Dazu eine Portion lazi jiding – Hühnchenstücke mit Knochen, erst kurz frittiert und dann nochmal in einem Bett aus rotem Chili, Sichuanpfeffer und Erdnüssen geröstet und im Körbchen serviert. Zum Nachtisch gerne ein kleiner gedämpfter Kürbiskuchen (nangua bing). Meine Lieblingssnacks gibt es zum Glück auch in meinen beiden aktuellen Pendel-Städten, Manchester und Berlin: frittierte Reismehlbälle mit Sesam und roter Bohnenpaste gefüllt (zhima qiu) verkauft morgens die Wong Wong Bakery in der Princess Street/Ecke St James Street, und Omakuchen (laopo bing) kann man im chinesischen Teehaus in den Gärten der Welt in Marzahn zum Tee genießen. 

Aktuell höre ich schreckliche Nachrichten aus Shanghai im Lockdown. Ich hoffe, dass sich die Lage bald wieder normalisiert und die Shanghaier*innen sich wieder normal bewegen und ihre Restaurants besuchen können. Am besten wäre wahrscheinlich, wenn die chinesische Führung schnell die bewährten Impfstoffe aus dem Westen zulassen würde.“ 

*Die Sinologin und Politikwissenschaftlerin Katja Levy war von 2012 bis 2019 Junior-Professorin an der FU Berlin. Derzeit forscht sie zu gesellschaftlichem Engagement in China an der University of Manchester.

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