Die erste April-Woche war hektisch in Hongkong. Am Montag, den 4. April, verkündete Regierungschefin Carrie Lam (64), dass sie keine zweite Amtszeit anstrebe. Aus – naja, wer es glauben mag – „familiären Gründen“. Am Mittwoch, den 6. April, kündigte John Lee (64) in einem kurzen Statement an, dass er gerne Nachfolgerin von Lam werden möchte. Und am 9. April trat er dann im Lai Chi Kok Studio zu einer Online-Pressekonferenz an, um seine Motive etwas näher zu erläutern. Erst redete er, dann ließ er acht Fragen zu, übrigens keine von internationalen Medien. Slogan der Präsentation: „Starting a new chapter for Hong Kong together“. Viel Konkretes sagte Lee nicht. Es dominierten Allgemeinplätze, wie zum Beispiel: „This is a new symphony. I am the new conductor. We will create the synergy in which one plus one is more than two.” Als eine seiner Prioritäten nannte er “to boost Hong Kong´s competitiveness“. Die Wettbewerbsfähigkeit ist in der Tat in Gefahr. Durch die Unruhen der vergangenen Jahre und die erratische Corona-Politik zweifeln viele Ausländer am Standort Hongkong. Viele Expats haben deswegen die Stadt in den vergangenen Monaten verlassen. Lee sagt: „Hong Kong must maintain its character as an international metropolis.“ Nur wie? Die Antworten fehlen noch. Nachteil ist, dass Lee von Wirtschaft und Finanzen wenig Ahnung hat. Er ist ein Mann des Sicherheitsapparats. Mit 20 trat er 1977 in die Royal Hong Kong Policy Force ein und diente sich nach oben. 2012 wechselte er in die Regierung, wurde Unterstaatssekretär im Security Bureau und 2017 dessen Chef. Im Juni 2021 stieg er als Chief Secretary for Administration zur Nummer Zwei hinter Carrie Lam auf. Damals war den Eingeweihten schon klar, dass Lee die Nachfolge von Lam antreten würde. Schon drei Monate zuvor waren sich die Führungsspitze in Beijing und Lam einig, dass sie nicht mehr kandidieren sollte. Beijings Spitze war mit ihr schon länger nicht mehr zufrieden. John Lee dagegen scheint das Vertrauen von Xi Jinping & Co zu haben, zumal er sich in den vergangenen Jahren bei den Unruhen als Hardliner präsentierte. Der emeritierte Politik-Professor John Burns (University of Hong Kong) schreibt: „John Lee´s presence clearly indicates that the central government (in Beijing) prioritizes security and loyalty above all else.” Am 8. Mai wird in Hongkong gewählt. Nicht von der Bevölkerung, sondern von einem sogenannten Election Committee, dessen überwiegende Mehrheit pro Beijing ist. Es wird also keine Überraschung geben. Hongkongs neuer Regierungschef wird ab 1. Juli John Lee sein.
Info:
Die Pressekonferenz von John Lee ist hier zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=czcukkJ_E2Q&t=15s