Wer bei klassischer Musik aus China nur an Lang Lang denkt, denkt zu kurz. Klassische westliche Musik hat eine lange Tradition in China. Darüber redet in einem aufschlussreichen Interview die Heidelberger Professorin Barbara Mittler mit Hartmut Welscher, dem Herausgeber des Online-Magazins VAN. Schon im 17. Jahrhundert brachten Missionare die Klassik nach China, erst an den Kaiserhof, dann im späten 19. Jahrhundert auch in die Breite. 1905 wurde Musik in China Schulfach. Es gab Schullieder, „die häufig auf europäischen Melodien beruhten“, sagt Mittler. Bestes Beispiel sei „Frère Jacques“. Es gilt in China als chinesisches Volkslied, war in den 20er Jahren mal kurz die chinesische Nationalhymne. Überhaupt fanden viele westliche klassische Musikelemente Einzug in chinesisches Liedgut, selbst in Zeiten der Kulturrevolution. Mittler: „Chinesische Propagandamusik ist extrem vielfältig und hybrid.“ So war zum Beispiels Beethovens „Freude schöner Götterfunken“ eine Fabrikhymne unter Mao. Nach Mao, nach 1978 gewann die klassische Musik einen hohen Stellenwert auch in der Ausbildung. Man lernte Geige oder Klavier statt Erhu. So musste beispielsweise der berühmte Pianist Lang Lang Klavier lernen, obwohl sein Vater Erhu spielte. Wohin das führte, weiß man inzwischen: „Lang Lang ist ein nationales Symbol“, sagt Mittler.
Info:
Das Interview mit Barbara Mittler kann man hier nachlesen: https://van-magazin.de/mag/klassische-musik-china/