Das kleine Litauen gegen das große China – da ist doch klar, wo in diesem David-Goliath-Kampf die Sympathien liegen: Beim Balten-Staat natürlich, sagen viele, die die Geschichte dieses ungleichen Duells nicht kennen oder ausblenden. Deshalb sei die Entwicklung dieses Konfliktes hier nacherzählt. Am 20. Juli 2021 teilte das litauische Ministerium mit, dass ein taiwanesisches Vertretungsbüro im Herbst eröffnet würde. Litauen hat – wie die meisten dieser Staaten, die die Ein-China-Politik verfolgen – keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. Deshalb kann es keine Botschaft geben, aber ein sogenanntes Representation Office. Ein solches hat Taiwan in vielen Ländern, auch in der Bundesrepublik. Hier ist Taiwan mit vier Büros vertreten, und zwar in Berlin, Frankfurt, Hamburg und München. Sie tragen den Titel „Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland“. Taipeh ist die Hauptstadt Taiwans. Dadurch wird vermieden, Taiwan im Namen zu führen, denn das könnte eine De-Facto-Anerkennung des Landes bedeuten. Auf diesen modus scribendi haben sich alle Beteiligten stillschweigend geeinigt, einschließlich der Volksrepublik China. Doch diesen Konsens kündigte Litauen nun auf, indem es Taiwan erlaubte, ihre Repräsentanz in Vilnius „The Taiwanese Representation Office“ zu nennen. So steht es am Türschild des im November eröffneten Büros. Es muss der litauischen Regierung klar gewesen sein, dass sie damit die chinesische Führung provoziert, denn es wurde damit eine rote Linie überschritten. Beijing reagierte erwartungsgemäß harsch, für viele zu harsch, mit Botschafterabzug und wirtschaftlichen Sanktionen. Es bleiben Fragen: Warum hat Litauen diesen unnötigen Streit vom Zaun gebrochen? Und warum ist Litauen damit in der EU vorgeprescht und hat offenbar ohne Abstimmung mit Brüssel und den anderen Mitgliedsstaaten solch einen folgenreichen Schritt getan? Aber nun fordert dieses Litauen, das den Alleingang unternommen hat, angesichts der chinesischen Sanktionen Solidarität von den anderen EU-Staaten. Inzwischen melden sich selbst in Litauen kritische Stimmen zu dem Vorgehen. Präsident Gitanas Nauseda sprach in einem Radiointerview davon, dass der Name, aber nicht die Eröffnung des Büros ein Fehler gewesen sei. Vorgänger Valdas Adamkus hält die Namens-Aktion für „völlig unnötig.“ Sie geben damit nur Volkes Stimme wieder. Denn nur ein Drittel der Litauer – so eine Umfrage im November – unterstützt in dieser Frage den Kurs der Regierung. Ein Vorschlag zur Güte: Man müsste nur wenige Buchstaben austauschen und statt „Taiwanese“ eben „Taipeh“ schreiben. Aber das würde ja bedeuten, dass man chinesischem Druck nachgegeben hätte. Soweit wird es nicht kommen, zumal Taiwan sich großzügig zeigt. Im Frühjahr soll eine Delegation anreisen, um einen möglichen Strandort für eine Chipproduktion zu erkunden. Als kleines Dankeschön eine Chipfabrik für Europa.
No Comments Yet