China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Old China Hand vorgestellt: Kerstin Kaehler (48), Geschäftsführerin des German Enterprise Centre in Qingdao.
Als sie sieben Jahre alt war, hatte Kerstin Kaehler ihre „wilde Karl-May-Phase“. Die in den Hamburger Walddörfern aufgewachsene Kaehler träumte damals: „Ich wollte irgendwohin, wo alles ganz anders ist.“ Nun, sie landete später weder im wilden Kurdistan noch im Land der Skipetaren, sondern in China. Seit 22 Jahren ist sie nun dort, derzeit in Qingdao. Wie sie dort hinkam? Das ist eine längere Geschichte. Sie fängt so an: Ihre beste Freundin lernte an einem Hamburger Gymnasium Chinesisch. Sie machte das dann auch. Im Schüleraustausch war sie dann als 17jährige 1990 drei Wochen in Shanghai. „Das war mein Augenöffner.“ Und sie beschloss sehenden Auges: „Da will ich wieder hin.“ Davor musste sie noch ein paar formale Dinge erledigen. Abitur machen und ein Studium abschließen. Letzteres tat sie am Ostasieninstitut der FH Ludwigshafen, damals eine der wenigen deutschen Hochschulen, die ein Kombistudiengang (Wirtschaft plus Chinesisch) anboten. „Das war genau das Richtige für mich“, sagt sie, die sich bewusst gegen ein reines Sinologiestudium entschieden hatte.
Während des Studiums verbrachte sie zwei Jahre in Nanchang, tiefste Provinz in der Provinz Jiangxi. Dort sprach (fast) niemand Englisch, dort musste sie Chinesisch sprechen. 1998 beendete sie ihr Studium in Ludwigshafen, 1999 ging sie nach China. Nach einem kurzen Abstecher in Guangzhou landete sie 2000 in Shanghai am German Centre, das damals noch an der Tongji Universität war. 2003 stand dann der Umzug an ins schicke Gebäude nach Pudong. „Für mich stellte sich die Frage: Gehe ich da mit, oder mache ich etwas anderes“, sagte sie. Sie machte etwas anderes und wechselte zum Porzellantrendsetter Kahla, die damals am schicken Bund residierte. Zwei Jahre verbrachte sie dort, um schließlich zu erkennen, dass der Vertrieb nicht ihre Stärke war. Ihre Stärke war das Organisieren, oder wie sie es ausdrückt: „Ordnung ins Chaos bringen und dabei ruhig bleiben.“ Also ein Job als Office Managerin. Kurz liebäugelte sie damit ins Charity Business zu wechseln. Aber dann rief Christian Sommer an, Leiter des German Centre in Shanghai. Man traf sich zum Abendessen, bei dem er sagte, er suche eine Office Managerin. Im September 2007 fing Kaehler draußen in Pudong an. Und blieb bis 2015, als Christian Sommer wieder mit einem Angebot an sie herantrat. In Qingdao war damals ein Ökopark entstanden, in dem auch ein German Enterprise Centre mit Büros für internationale KMUs aufgebaut werden sollte. Das German Centre in Shanghai war in der Bauphase beratend tätig, dann wurde ein Vertrag mit dem Ökopark über das Management ebenjener Immobilie geschlossen. Und wer kam dafür als Managerin in Frage? Kerstin Kaehler. Über fünf Jahre ist sie nun in Qingdao. „Das Tempo hier ist anders als in Shanghai“, sagt sie, „aber Qingdao hat sich enorm entwickelt.“ Über 20 Jahre ist sie nun in China? Da kann man schon mal nach einer Zwischenbilanz fragen. Sie resümiert: „Es hat sich viel verändert, aber das konnte man immer über China sagen. Aber diese Veränderung macht das Land so attraktiv, es wird ständig etwas probiert.“ Und wie fühlen sich zwei Corona-Jahre in China an? „Es entstand so ein Gefühl der zunehmenden Abschottung.“ Aber eine komplette Abschottung des Landes könne sie sich nicht vorstellen. Das wäre kontraproduktiv: „Die Weiterentwicklung des Landes hängt vom Austausch mit dem Ausland ab.“ Noch ist offen, wann die Grenze wieder geöffnet wird. Aber eines ist für sie sicher: „,2023 werde ich 50 Jahre alt, dann will ich mit meiner Schwester in Hamburg Kaffee trinken – egal, wie lange ich dafür in Quarantäne muss.“