HU IS HU? Wang Huning, der Mann hinter Xi Jinping

Ende August 1988 reiste ein junger Chinese in die USA. Sechs Monate sollte er dortbleiben. Er besuchte 30 Städte und 20 Universitäten. Am Ende seiner Forschungsreise schrieb er ein Buch mit dem Titel „America versus America.“ Es beschreibt die Widersprüche des US-Systems und rechnet mit dem Kapitalismus und der westlichen Demokratie ab. Anfang 2020 erlebte das Buch eine Renaissance, für antiquarische Exemplare wurden horrende Preise bezahlt. Warum? Weil fundamentale US-Systemkritik wieder en vogue ist. In Chinas Führung wähnt man die westliche Supermacht im Niedergang. Der Vordenker dieser Niedergangs-These ist der junge Mann von einst: Wang Huning (66). Er sitzt heute im Politbüro, wo er aktuell die Nummer Fünf in der Hierarchie ist. In diesem elitären Gremium ist er der Einzige, der nicht irgendwo Provinzchef war. Er ist eher ein Mann des Wortes. Er wird Chefideologe, Theoretiker oder graue Eminenz tituliert. Man weiß wenig über ihn. Nur soviel: Geschieden, mit einer Krankenschwester verheiratet. Er trifft sich nicht ausländischen Gästen. Er wirkt nach innen. Und das sehr erfolgreich.  Anfang der 90er Jahre holte ihn der damalige Parteichef Jiang Zemin in die Politik. Unter ihm wurde er Leiter des Central Policy Research Office (CPRO), einem einflussreichen Thinktank. Er wurde Jiang Zemins Strategieberater und war maßgeblich an dessen Formulierung der „dreifachen Repräsentation“ beteiligt. Auch Jiang Zemins Nachfolger Hu Jintao diente er als intellektueller Einflüsterer. Hu Jintao prägte in seiner Amtszeit den Begriff der harmonischen Gesellschaft. Auch hier wirkte Wang Huning mit. Da war es nur logisch, dass auch Xi Jinping den klugen Kopf in seinen engen Beraterkreis aufnahm, als er 2013 Parteichef wurde. Mit ihm entwickelte er den „chinesischen Traum“. Auch bei Xis Buch „Socialism with Chinese Charachteristics for the New Era” soll Wang Huning federführend beigestanden haben. Wer so vielen Herren loyale wertvolle Dienste leistet, wird auch mal belohnt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Wang Huning beim nächsten Parteitag im Herbst 2022 auf der Karriereleiter noch weiter nach oben klettert.

Info:

In diesem Sinica-Podcast unterhält sich Kaiser Kuo mit Timothy Cheek (University of British Columbia), Joseph Fewsmith (Boston University) und Matthew Johnson (Hoover) über Wang Hunings Karriere und seine Gedankenwelt:https://supchina.com/podcast/the-worldview-of-wang-huning-the-partys-leading-theoretician/

Eine englische Version des Buches „America against America“ von Wang Huning gibt es hier in voller Länge: https://archive.org/details/america-against-america/page/n1/mode/2up

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