POLITIK I Gutes Klima, schlechtes Klima

Am Sonntag begann in Glasgow die COP26, die Weltklimakonferenz. In den ersten Tagen halten die angereisten Staatschefs ihre Reden, danach wird auf Arbeitsebene um ein Abschlusspapier mit hoffentlich hehren Zielen gerungen. Zentral in diesem Ringen um Worte und Taten sind die USA und China, die beiden größten Umweltverschmutzer auf dem Globus. Sie produzieren rund 40 Prozent der weltweiten CO2-Emmissionen. Joe Biden wird zu Beginn in Glasgow sein, Xi Jinping nicht, aber er wird per Video reden. So wie er es schon in den vergangenen zwei Sitzungen der UN-Generalversammlungen getan hat und dabei mit konkreten Ziel- und Zeitangaben die Öffentlichkeit überrascht hat. Im September 2020 kündigte er aus heiterem Beijinger Himmel an, dass China bis 2060 klimaneutral sein werde. Im September 2021 dann das Versprechen, keine Kohlekraftwerke mehr im Ausland zu bauen und zu finanzieren. Reflexartig die westliche Ja-Aber-Reaktion: Alles schön und gut, aber meint er das ernst? Oder ist das nur ein PR-Gag? Kann man ihm trauen? Um diese Fragen zu beantworten, muss man in Xis Vergangenheit tauchen. Das hat Jianqiang Liu getan, ein investigativer chinesischer Journalist, der nicht an den Lippen der Herrschenden hängt. Liu hat im britischen “CarbonBrief” soeben einen langen Artikel veröffentlicht mit dem Titel „Nine key moments that changed China´s mind about climate change“. Darin beschreibt er Chinas Wandlung vom Saulus zum Paulus. Liu: „Xi has personally played the most important role in this shift.“ Er beweist das mit diversen – zum Teil in der Öffentlichkeit bislang unbekannten – Artikeln und Reden Xis, die teilweise aus den Nuller Jahren stammen. XisTop-Down-Ansatz, die veränderten ökonomischen Prioritäten (kein Wachstum mehr um jeden Preis), aber auch internationaler Druck hätten – so Liu – Chinas Klimapolitik verändert. Zu diesem Urteil kommt auch das australische Lowy Institute in der aktuellen Studie „China, Climate Politics and COP26“. Dort heißt es, “that Beijing’s climate pledges were driven as much by domestic concerns as foreign policy.” Der Druck auf China wird auch auf der Konferenz in Glasgow stark sein. Er wird vor allem von der EU und den USA kommen. Positiv ist, dass sowohl die EU als auch die USA wissen, dass ohne China beim globalen Klimaschutz nichts läuft. Negativ ist, dass China und die USA (und auch mit Abstrichen die EU) derzeit in fast allen anderen Fragen über Kreuz liegen. Viel wird abhängen von Chinas Verhandlungstaktik. Die zentrale Frage dabei ist: Werden die Chinesen bei einem Entgegenkommen in der Klimapolitik ein Entgegenkommen der Amerikaner (und Europäer) in anderen Politikbereichen fordern? Aber immerhin: Die beiden wichtigsten Chefunterhändler, John Kerry (USA) und Xie Zhenhua (China), kennen sich gut und verstehen sich offenbar. Ob das allerdings für einen Kompromiss ausreicht, wissen wir erst am 12. November, dem Abschlusstag der Glasgower Konferenz.

Info:

Chinas Regierung hat kurz vor Glasgow zwei wichtige Papiere veröffentlicht. Zum einen das Weißpapier „Responding to Climate Change: China´s Policies and Actions”:

http://www.scio.gov.cn/zfbps/32832/Document/1715506/1715506.htm, und zum anderen den Climate Action Plan (NDC): https://www4.unfccc.int/sites/ndcstaging/PublishedDocuments/China%20First/China%E2%80%99s%20Achievements,%20New%20Goals%20and%20New%20Measures%20for%20Nationally%20Determined%20Contributions.pdf

Die Studie des Lowy Institute ist hier: https://www.lowyinstitute.org/publications/china-climate-politics-and-cop26 , und der Artikel von Jianqiang Liu in „Carbon Brief“: https://www.carbonbrief.org/analysis-nine-key-moments-that-changed-chinas-mind-about-climate-change

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