POLITIK I USA-China: Entspannung?

Sechs Stunden lang saßen sich am 6. Oktober die Delegationen im Hyatt Regency Zurich Airport gegenüber. Hier US-Sicherheitsberater Jake Sullivan, dort Yang Jiechi, der oberste Außenpolitiker der KP Chinas (siehe auch HU IS HU? in der heutigen Ausgabe). „Any progress“ rief ein Reporter fragend Sullivan zu, als dieser das Hotel verließ. Aber Sullivan antwortete nicht und verschwand in der schwarzen Limousine.  Am nächsten Tag in Brüssel war Sullivan etwas gesprächiger: „Intense competition requires intense diplomacy. So we need more of this, not less of this.“ Und weil auch für die chinesische Seite die Züricher Gespräche „in a candid manner“ (Xinhua) stattfanden, kann man diese als einen kleinen Erfolg werten. Sie sind jedenfalls weit besser verlaufen als der erste, giftige Schlagabtausch im März in Anchorage.

Sind das Zeichen einer vorsichtigen Entspannung zwischen den beiden Supermächten? Man kann es so deuten. Für diese Sicht gab es in den vergangenen Wochen einige Indizien in Form von Reden und bilateralen Gesprächen. Der Reihe nach:

  • Am 9. September fand ein erstes Telefongespräch zwischen Joe Biden und Xi Jinping statt.
  • In seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 21. September kritisierte Biden China nicht direkt. Er sagte auch, die USA seien „not seeking a new cold war or a world divided into rigid blocs.”
  • Am 24. September wurde die Huawei-Finanzchefin Meng Wanzhou aus dem kanadischen Hausarrest entlassen – natürlich nicht ohne US-amerikanische Zustimmung.
  • Amerikanische und chinesische Militärs trafen sich Ende September zu zweitägigen virtuellen Gesprächen.
  • Am 4. Oktober hielt die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai ihre mit Spannung erwartete handelspolitische Grundsatzrede vor dem CSIS.  Sie sagte: „Our objective is not to inflame trade tensions with China.” Es fiel sogar das Wort Recoupling statt dem bisherigen Decoupling.
  • Am 6. Oktober fand das eingangs erwähnte Züricher Meeting zwischen Jake Sullivan und Yang Jiechi statt..
  • Am 8. Oktober kam es zu einem Gespräch zwischen Katherine Tai und Vize-Premier Liu He, Xis wichtigstem Wirtschaftsberater.  
  • Der Gipfel: Am Rande der Züricher Gespräche wurde bekannt, dass sich Biden und Xi (der nicht zum G20-Gipfel Ende Oktober in Rom kommen wird) zu einem Gespräch per Video treffen. Zeitpunkt noch unbekannt.

Warum diese diplomatischen Annäherungen? Der Washingtoner China-Experte Bill Bishop („Sinocism“) vermutet, dass es in der Biden-Administration „a real disagreement“ darüber gab und gibt, wie tough man gegenüber China auftreten soll und „that the voices for a softer approach are winning the day“. Druck von der Wirtschaft und insbesondere der Wall Street könnte zu diesem „Sieg“ der Gesprächsbereiten beigetragen haben. Wallstreet-Legende John L. Thornton war in diesem Sommer auf einem sechswöchigen (!) Trip durch China und führte viele hochrangige Gespräche. Manche Beobachter verglichen Thorntons Besuch mit der Eisbrecher-Reise Henry Kissingers 1971, die den Weg für Präsident Nixons anschließende Gespräche in Beijing ebnete.

Doch bei allen zaghaften Annäherungsversuchen der vergangenen Wochen sollte man die nach wie vor gravierenden Unterschiede nicht ausblenden. Und die liegen vor allem im strategischen Gesprächsansatz. Die Amerikaner wollen die verschiedenen Themen unabhängig voneinander mit den Chinesen besprechen und verhandeln. Die Chinesen hingegen wollen die Themen miteinander verknüpfen: zum Beispiel kein chinesisches Entgegenkommen beim Klima, wenn kein amerikanisches Entgegenkommen beim Handel. In Beijing nimmt man die neue amerikanische Offenheit zustimmend zur Kenntnis, aber es gibt auch warnende Stimmen wie die von Shi Yinhong, Professor für Internationale Beziehungen an der Renmin Universität und Berater des Staatsrats. Er sagt: „US will not stop trying to contain China.”    

Info:

Die Rede von Katherine Tai vor dem CSIS ist hier zu hören: https://www.csis.org/events/conversation-ambassador-katherine-tai-us-trade-representative; und hier zu lesen: https://ustr.gov/about-us/policy-offices/press-office/press-releases/2021/october/remarks-prepared-delivery-ambassador-katherine-tai-outlining-biden-harris-administrations-new

Das Readout der Züricher Gespräche gibt es hier: https://www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2021/10/06/readout-of-national-security-advisor-jake-sullivans-meeting-with-politburo-member-yang-jiechi/

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