In der deutschen Wissenschaft findet derzeit eine Diskussion statt, von der außerhalb der Elfenbeintürme kaum jemand Notiz nimmt. Dabei ist sie nur ein Spiegelbild der Diskussion, die auch in anderen Bereichen wie der Politik und der Wirtschaft geführt wird. Die zentrale Frage: lautet: Wie mit China umgehen? Konfrontativ oder kooperativ? Für diese beiden Ansätze stehen zwei Aufsätze, die kürzlich in der Publikation „Forschung & Lehre“ des Deutschen Hochschulverbandes (DHV) erschienen sind. Zuerst durfte am 13. September Andreas Fulda (University of Nottingham) verkünden: „Rote Linien längst überschritten.“ Er hält nichts von Kooperationen, kritisiert alles und alle, die einen kooperativen Kurs verfolgen – vom DAAD über die DGA (Deutsche Gesellschaft für Asienkunde) bis zu Angela Merkel. Fulda sieht eine weltweit zunehmende Einflussnahme der KP Chinas auf den Wissenschaftsbetrieb. Deshalb ist für ihn klar: „Viele Chinaexperten üben Selbstzensur“. Das ist eine – mir fällt kein anderes Wort ein – Frechheit gegenüber Sinologen und anderen Wissenschaftlern, die China nicht so eindimensional betrachten wie er und zu einer differenzierten Betrachtungsweise fähig sind. Wie zum Beispiel Anna L. Ahlers (Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte) und Thomas Heberer (Universität Duisburg-Essen), die eine Woche nach Fulda den Artikel „Kooperation auf Augenhöhe“ veröffentlichten., in dem sie – so die Unterzeile – für einen Dialog und einen differenzierten Blick plädieren. Zunächst klären die beiden Sinologen über die unterschiedliche Funktionsweise von Wissenschaft in China und Europa auf. Während hier Wissenschaftsfreiheit herrsche, stehe dort die Wissenschaft – und das übrigens auch vor 1949 – stets auch im Dienste des Staates bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme. Ahlers und Heberer stellen bei der Wissenschaftskooperation eine „zunehmend polarisierte Debatte“ fest, in der oft nicht zwischen dem chinesischen Staat und Wissenschaftlern sowie Universitäten unterschieden werde. Insbesondere kritisieren sie „ein pauschales profiling“. Da alles dem Parteistaat unterstehe, würden Hochschulen, Wissenschaftler und Studierende im Ausland als „Propagandisten“ oder „Spione“ angesehen. Sie tun das nicht – und andere Kollegen auch nicht. Deshalb konstatieren sie: „Generell gesehen lässt sich unter europäischen Wissenschaftsvertretern nach wie vor ein eindeutiges Interesse an Aufrechterhaltung und Ausbau der Kooperation mit chinesischen Partnern feststellen.“ Und das ist gut so.
Info:
Der Artikel von Anna L. Ahlers und Thomas Heberer ist hier:
https://www.forschung-und-lehre.de/politik/kooperation-auf-augenhoehe-4031/
Der von Andreas Fulda: https://www.forschung-und-lehre.de/politik/rote-linien-laengst-ueberschritten-3992/