GESELLSCHAFT I Star Wars

Zhao Wei (45) ist eine bekannte chinesische Schauspielerin. Oder muss man besser sagen: Sie war eine bekannte Schauspielerin? Zhao wurde aus dem Internet verbannt, es gibt keine Links mehr zu ihren Filmen und TV-Shows, Suchmaschinen ignorieren sie, ihre Fan-Clubs sind online nicht mehr existent, und auch der italienische Luxuskonzern Fendi ließ seine Werbebotschaften mit Zhao verschwinden.

Was ist passiert?  Man weiß es nicht, man ist auf Gerüchte angewiesen. Schon vor drei Jahren war sie – zusammen mit ihrem Gatten – in angeblich dubiose Aktiengeschäfte verwickelt, worauf sie ein fünfjähriges Auftrittsverbot auf dem Börsenparkett erhielt. Andere sagen, sie habe zu enge Kontakte mit Jack Ma, dem in Ungnade gefallenen Alibaba-Gründer. Oder steckt sie mit im Sumpf von Hangzhou, wo gerade gegen den KP-Chef wegen Korruption ermittelt wird. Wie gesagt: Nichts Genaues weiß man nicht. Aber was man weiß:  Zhao Wei ist ein weiterer Name auf einer Liste von Stars, die in den vergangenen Wochen

  • Kris Wu (30), der chinesisch-kanadische Schauspieler wurde Ende Juli in Beijing aufgrund von Vergewaltigungsvorwürfen verhaftet.
  • Zhang Zhehan (30). Der Schauspieler (spielte u. a. in „World of Honor“) postete auf Instagram Fotos von seinem Besuch im Yasukuni-Shrein in Tokio, in dem sich auch japanischen Kriegsverbrecher befinden.
  • Zheng Shuang (30). Die Schauspielerin wurde Ende August dazu verdonnert, wegen eines Steuervergehens 46 Millionen Dollar zu zahlen.
  • Lucas Huang (22), Sänger in der Boyband NCT, wurde aufgrund der Vorwürfe von Ex-Freundinnen wegen Betrug und Gaslightning angeklagt.
  • Gao Xiaosong (51), Produzent, Songschreiber, Talkshow-Gastgeber und Jack-Ma-Friend wurde – wie Zhao Wei– aus dem Internet verbannt.

Diese Liste ließe sich verlängern, zum Beispiel um die Panda Boys, eine Popgruppe aus Chengdu , die Auftrittsverbot bekam. Aber gerade an den Panda Boys lässt sich auch verdeutlichen, welche Auswüchse die chinesische Popkultur treibt. Die Band bestand aus acht Kindern im Alter zwischen sieben und elf Jahren. Viele junge Chinesen wollen irgendwie Stars werden, und wenn sie keine werden, so wollen sie wenigstens Stars verehren. So hat sich in den vergangenen Jahren ein Star-Kult entwickelt mit riesigen Fan-Gemeinden, mit Verherrlichungen von Jungstars, die Millionen verdienten. Diesem Treiben wollte die Führung in Beijing nicht länger zusehen und startete eine moderne Variante einer Kulturrevolution gegen diese Auswüchse der Fankultur. Ende August verkündete die Cyberspace Administration of China (CAC)  zehn Maßnahmen, um diesen Celebritiy-Wahn einzudämmen. So dürfen zum Beispiel künftig keine Rankings über die Beliebtheit von Stars mehr veröffentlicht werden. Die National Radio and TV Administration (NRTA) verfügte am 2. September ein Auftrittsverbot von jungen femininen Männern, auch als niang pao, sissy pants oder Weichlinge verspottet.  Das Männlichkeitsbild der KP sieht eben keine Ohrringe oder gar geschminkte Lippen bei Männern vor.

Warum gerade jetzt das Vorgehen gegen diesen Starkult? Es hat sicher etwas mit der gerade von oben ausgegebenen Devise des „gemeinsamen Wohlstandes“ zu tun. Auswüchse werden nicht mehr geduldet. Erst waren die Tech-Konzerne dran, nun die Pop-Stars. Oxford-Professor Rana Mitter sieht in einem Artikel in The Guardian da durchaus einen Zusammenhang: „It seems like separate campaigns but they point to a growing trend in domestic politics and society: the wish to eliminate differences.”

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