GESELLSCHAFT I Null-Covid-Strategie – Wie lange noch?

China fährt eine Null-Covid-Strategie. Das Virus muss ausgerottet werden. China ist eines der wenigen Länder mit dieser kompromisslosen Strategie. Nur Australien und Neuseeland sind ähnlich rigoros. Während viele Länder öffnen, bleibt China dicht. Nur zaghaft artikuliert sich Widerstand gegen diese harte Linie. Der bekannte Shanghaier Virologe Zhang Wenhong ist einer der Kritiker des Null-Covid-Kurses. In einem mittlerweile berühmten Tweet auf Weibo am 29. Juli attackierte er diesen Kurs und plädiert dafür, mit dem Virus leben zu lernen und fordert: „We need a smarter approach“. Kaum waren diese Worte veröffentlicht, wurde Zhang heftig attackiert. „Verräter“ oder „blinder Verherrlicher westlicher Ideen“ wurde er genannt. Eine offiziöse Replik kam vom ehemaligen Gesundheitsminister Gao Qiang in der Peoples´ Daily vom 7. August: „Co-Existence (mit dem Virus) is completely unacceptable“. Die Regierung fährt diesen radikalen Kurs, weil sie damit auch beweisen will, dass ihre Strategie die überlegenere und erfolgreichere ist als die westliche. Die wesentlich geringeren Todeszahlen unterstreichen dies. Aber wie lange kann Chinas Führung diese Null-Toleranz-Strategie durchhalten? Wie oft und wie lange kann man Millionen-Städte abriegeln und testen? Das ist auch eine Frage des Geldes. Beispiel Nanjing. Am dortigen Flughafen landete am 20. Juli mit einem Flugzeug der Air China aus Moskau auch das Virus. Kurzerhand wurde Nanjing wieder abgeriegelt und die zehn Millionen Einwohner wurden getestet, und das gleich mehrmals. Experten taxieren die Kosten für die Tests allein in Nanjing auf 5 Milliarden Yuan (650 Millionen Euro). Da mittlerweile in über 30 Provinzen massenhaft Tests durchgeführt werden, weil dort vereinzelte Infektionen auftreten, summieren sich die Test-Kosten auf einen gigantischen Betrag. Hinzu kommen die versteckten Kosten durch temporäre Schließungen von Fabriken, Läden und Restaurants. Explodierende Kosten sind ein Argument gegen die Zero-Covid-Strategie. Hinzu kommt der zunehmende Frust unter Chinesen wie Expats über die geschlossenen Grenzen. Viele Chinesen würden gerne mal wieder Urlaub im Ausland machen oder dort studieren. Viele Expats beklagen schleppende Geschäfte durch die Grenzschließungen. Liu Zhibiao, Wirtschaftsprofessor an der Nanjing Universität, sagt: „Border clousures are not sustainable, otherwise, the model of economic globalization in which China participates and plays a huge role will collapse.” Viele fragen sich deshalb: Wann wird sich das Land wieder öffnen? Große Optimisten rechnen mit einer Öffnung nach den Olympischen Winterspielen in Beijing Anfang Februar nächsten Jahres, kleine Optimisten in der zweiten Jahreshälfte 2022, Pessimisten gar erst mit 2023. Aber vielleicht wird auch eine Idee realisiert, die sich erst einmal ziemlich schräg anhört, aber zumindest diskutiert wird – die Idee einer „Covid City“. Alle internationalen Flüge sollen nur noch in einer Stadt, eben dieser Covid-City, landen. Dort sollen auch die Quarantänen in Massenquartieren stattfinden. Diese Stadt soll möglichst weit weg von den großen Ballungsgebieten liegen. In Frage kommen deshalb nur Städte mit Flughäfen in der Inneren Mongolei oder im tiefen Westen in Qinghai, Tibet oder gar Xinjiang. Eine verrückte Idee? Aber China hat schon viele verrückte Ideen realisiert.

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