Ende August werden die letzten US-Soldaten Afghanistan verlassen haben. Ihren wichtigsten Stützpunkt Bagram haben sie schon geräumt. Auch die Deutschen sind schon weg. Die amerikanische Bilanz des fast 20jährigen Engagements: 2000 Milliarden Dollar, 2000 tote Soldaten. Mission accomplished? Von wegen. Die Taliban sind schon auf dem Vormarsch, sie beherrschen bereits große Teile des Landes. Sie werden wieder an die Macht kommen. Sie waren es ja schon einmal – von 1996 bis 2001. Seitdem hat China relativ gute Beziehungen zur Taliban. China differenziert zwischen den afghanischen und den pakistanischen Taliban. Letztere seien Terroristen, die afghanischen Taliban hingegen seien – so Außenamtssprecher Zhao lijian – „a self-styled political and military organization“. Die afghanischen Taliban loben zurück. Sprecher Suhail Shaheen nennt in einem Telefon-Interview mit der „South China Morning Posr“ (9. Juli) China einen „Freund“. Suhail Shaheen sagt weiter: „We have good relations with them. We welcome them. If they have investments of course we ensure their safety.” Und die Chinesen haben Interesse an Investitionen. Im Rahmen ihres gigantischen Seidenstraßen-Projekts könnte Afghanistan – traditionell ein bedeutender Handelsplatz der Seidenstraße – eine wichtige Rolle spielen. Deshalb planen die Chinesen dort Infrastrukturinvestitionen. Aber unter afghanischem Boden befinden sich auch viele Rohstoffe – von Gas über Kupfer bis Lithium. „We can expect to see growing Chinese economic engagement“, sagt Eva Seiwert, Forscherin an der FU Berlin, derzeit an der Shanghai Academy of Social Sciences. Gleichzeitig hält sie es für unwahrscheinlich „that Beijing will fill the military vacuum.“ China wird nicht die Fehler vieler Großmächte der vergangenen Jahrhunderte wiederholen und sich militärisch einmischen. Egal, ob einst die Griechen und Mongolen oder in der Neuzeit die Briten, die Sowjets und zuletzt die Amerikaner – alle zogen geschlagen von dannen. Deshalb wird Afghanistan auch als „graveyard of empires“ bezeichnet. China will sich da nicht einreihen. Gleichwohl ist China sehr an einem stabilen Afghanistan interessiert. Nichts fürchtet China mehr, als dass von dort Terroristen in ihre Unruheprovinz Xinjiang eingeschleust werden könnten. China hat eine 90 Kilometer lange Grenze mit Afghanistan. Die ist zwar gut bewacht, deshalb hat China mehr Sorgen, dass potentielle uigurische Separatisten über die zentralasiatischen Nachbarstaaten ins Land kommen. China setzt deshalb in seiner Afghanistan-Politik auf eine multilaterale Lösung. Und dabei kommt eine im Westen relativ unbekannte Gruppierung ins Spiel: Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO). Deren Außenminister tagten soeben (14. Juli) in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe. Natürlich war Afghanistan dort ein wichtiges Thema. Chinas Außenminister Wang Yi sagte dort: „SCO is to play a key role in achieving peace and reconciliation in Afghanistan.” Fast alle SCO-Mitglieder sind Nachbarstaaten von Afghanistan und haben sehr unterschiedliche Interessen und Vorstellungen, wie man Afghanistan befrieden kann. Aber alle eint der Wunsch, das Problem unter sich zu lösen – ohne Einflussnahme von außen. Es sieht so aus als, ob die Amerikaner nicht nur militärisch, sondern auch diplomatisch in der Region an Bedeutung und Einfluss verlören.
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