CHINAHIRNfragt…Stefan Aust und Adrian Geiges

Stefan Aust (75) ist einer der renommiertesten deutschen Journalisten. Er war jahrelang Chefredakteur des SPIEGEL. Heute ist er Herausgeber der WELT. Soeben erschien seine Autobiographie „Zeitreise.“ Adrian Geiges (60) war u.a. Manager für das Medienunternehmen Gruner +J in China und später China-Korrespondent für das Magazin Stern. Derzeit lebt er als Publizist in Hamburg.

CHINAHIRN Wie kam es zu diesem Buch über Xi jinping? Wie fanden sie sich als Autorenteam zusammen?

Adrian Geiges: Wir kennen uns schon sehr lange. Ich war schon früh bei Spiegel TV, das Stefan Aust damals leitete. Und auch später arbeiteten wir bei verschiedenen Projekten zusammen, zum Beispiel für N24, das heutige WELT TV.

Stefan Aust: Und wir haben vor vielen Jahren bereits ein Buch zusammen geschrieben: „Mit Konfuzius zur Weltmacht“. Der Verlag hat mich dann gefragt, ob wir nicht nochmals ein Buch über China machen wollten. Wir sagten: Das könnt ihr vergessen. Es gibt schon viele Bücher über China. Aber dann kam Adrian mit der Idee, anhand der Person Xi Jinping die Story Chinas zu erzählen.

Wie kamen Sie auf diese Idee?

Adrian Geiges: Ich hatte geschaut, was es denn schon zu Xi Jinping gibt und war erstaunt, dass nichts Vergleichbares existierte. Gut, im englischsprachigen Raum gibt es die Bücher von Kerry Brown, aber das sind eher politische Essays. Aber eine Biographie von Xi Jinping fehlte noch.  

Aber wie recherchiert man ein Buch über eine Person, an die man nicht rankommt?

Adrian Geiges: Es gibt ohne Ende Quellen über ihn. Die entscheidende Quelle waren seine Reden, die mittlerweile in drei Bänden erschienen sind. Wir haben die nicht nur gelesen, sondern richtig durchgearbeitet.

Stefan Aust: Ich habe mich bemüht, TV-Dokumentation zum Beispiel von der BBC zu bekommen, denn dort sind meistens O-Töne drin sind. Aber das Buch war keine reine Schreibtisch-Arbeit. Wir haben uns auch mit vielen Leuten getroffen, die Xi Jinping kennen. Zudem flossen in das Buch auch unsere vielfältigen China-Erfahrungen mit ein.

Herr Aust, Sie sind aber bislang nicht als China-Experte aufgefallen…

Stefan Aust: Ich habe großes Interesse an China und war in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder dort. Als einer der ganz wenigen ausländischen Journalisten hatte ich sogar ein chinesisches Staatsoberhaupt – Jiang Zemin – interviewt.

Adrian Geiges: Das Buch lebt ja von den unterschiedlichen Perspektiven. Ich habe den Blick von innen, Stefan von außen. Er fragte oft, warum ist das so und so. Wir erklären dadurch mehr in dem Buch. Und wir nehmen in dem Buch bewusst keine Wertung vor. Es ging uns nicht darum für oder gegen das chinesische System oder Xi zu schreiben. Uns ging es darum, dem breiten Publikum darzustellen, wer ist das, was ist das für ein Land. Jeder sollte sich dann letztendlich selber seine Meinung bilden.

Und was ist Ihre Meinung?

Adrian Geiges: Xi ist ein überzeugter knallharter Kommunist, der sich moderner Methoden bedient. Er läßt die Unternehmer machen, so lange sie zur Entwicklung des Landes beitragen. Aber sobald sie sich in die Politik einmischen, ist Schluss. Aber wenn es freie Wahlen gäbe, würde er diese haushoch gewinnen.

Stefan Aust: Er ist ist beides – Diktator und fürsorglicher Landesvater. Er ist wie so vieles in der chinesischen Geschichte zwiespältig. China hat in den letzten Jahrzehnten viele Leute aus Armut und von Hunger befreit, viele Chinesen haben es zu Wohlstand gebracht. Das sollten wir alles nicht unterschätzen. Aber gleichzeitig müssen wir uns fragen: Ist das eine Gesellschaft, die wir uns wünschen? Diese Debatte sollten wir führen, aber auf der Basis von Informationen, die wir zum Beispiel in unserem Buch geben.

Aber wir diskutieren in Deutschland über China mehr denn je…

Stefan Aust: Die deutsche Diskussion ist in vielerlei Hinsicht moralisch überfrachtet und damit auch unehrlich. Wenn wir nur noch mit den Ländern Wirtschaftsbeziehungen haben sollten, die unseren Werten entsprechen, dann werden wir bald sehr einsam auf der Welt. Wenn wir die Wirtschaftsbeziehungen zu China nicht mehr hätten, hätten wir richtige Schwierigkeiten. Wir sollten nicht der ganzen Welt erzählen, wie sie ihre Länder zu regieren haben, da übernehmen wir uns. Abschottung bringt gar nichts. Der kalte Krieg hat ja weder den Westen noch den Osten vorangebracht.

Das sieht man im Hause Springer und seinen Publikationen aber anders…

Stefan Aust Ich muss nicht mit jedem Punkt übereinstimmen, was in den Zeitschriften meines Verlages steht. Auch zu Russland habe ich durchaus andere Positionen, Aber was ich an Springer und der WELT sehr schätze, ist das breite Spektrum an Meinungen.

Man darf also China auch loben, wenn es angebracht ist?

Stefan Aust Wir haben früher immer gesagt, der Sozialismus ist uns unterlegen. Aber inzwischen haben wir in China ein Einparteiensystem ist, das funktioniert. Unser System ist nicht mehr wirklich überlegen. Das haben wir doch gerade in der Pandemie erlebt. Wir müssen höllisch aufpassen, dass eine freie Gesellschaft einer Diktatur nicht unterlegen ist.

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