In Serbiens Hauptstadt Belgrad wird demnächst ein 55 Millionen Dollar teures chinesisches Kulturzentrum eingeweiht. Es steht an der Stelle der einstigen chinesischen Botschaft, die von der NATO im Mai 1999 versehentlich zerbombt wurde. Ein Bauwerk also mit Symbolcharakter. Und auch ein Symbol für Chinas Bekenntnis zum Balkan. Dieser Teil Europas war über Jahrhunderte stets umkämpft. Jetzt droht wieder einmal ein neuer Konflikt. Freilich kein militärischer, sondern einer um Einfluss und Macht. Es treten an: China und die EU. Sie kämpfen um den Einfluss auf dem West-Balkan. Was ist der West-Balkan? Zu ihm gehören alle Republiken Ex-Jugoslawiens (außer Slowenien): Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien. Dazu kommen noch der Kosovo und Albanien. Von diesen sieben West-Balkan-Staaten ist nur einer in der EU: Kroatien. Die anderen stehen ante portas. Ihre Wartezeiten sind unterschiedlich lang. Manche Regierungschefs sind frustriert, wie zum Beispiel Nordmazedoniens Ministerpräsident Zoran Zaev. Schon vor einem Jahr wurden ihm von der EU Beitrittsverhandlungen versprochen, aber bislang ist nichts passiert. Der Nachbar Bulgarien blockt. In einem Interview mit Politico sagte – oder besser: drohte – der sozialdemokratische Politiker, dass die EU gegenüber „rival powers“ an Boden verlieren werde. Es bestehe die Gefahr „den West-Balkan zu verlieren“, sagte auch kürzlich der deutsche Außenminister Heiko Maas bei einem Treffen der EU-Außenminister, „wir sind nicht die Einzigen dort. Es gibt Wettbewerber. Und die treten sehr kompromisslos auf.“ Die Rivalen (Zaev) und Wettbewerber (Maas) sind Russland und vor allem China. Beijing hat sich in den vergangenen Jahren intensiv auf dem West-Balkan engagiert. China gab Kredite für Infrastrukturprojekte und half bei der Pandemie-Bekämpfung. Die Regierungschefs Aleksandar Vučić (Serbien) und Zoran Zaev (Nordmazedonien) ließen sich in aller Öffentlichkeit mit chinesischem Impfstoff piksen, letzterer in Gegenwart des chinesischen Botschafters Zhang Zhuo. Selbst das EU-Mitglied Kroatien war auf Hilfe Beijings angewiesen. Nach einem Besuch von Politbüro-Mitglied Yang Jiechi, dem wichtigsten Außenpolitiker des Landes, ließ Premier Andrej Plenković verlauten: „He thanked the Chinese authorities for the cooperation in regular deliveries of protective medical equipment during the pandemic.” Yangs Visite Ende Mai in Zagreb zeigt die verstärkte Aufmerksamkeit, die China dem West-Balkan entgegenbringt. Fast zur gleichen Zeit telefonierte Xi Jinping mit Montenegros Ministerpräsident Milo Dukanović und versprach ihm Hilfe bei der Rückzahlung eines Milliarden-Kredits für eine Autobahn. Es zeichnet sich ein interessanter Strategiewechsel in der chinesischen Osteuropa-Politik ab: Während die nördlichen Staaten Osteuropas – allen voran das Baltikum und Tschechien – sich zunehmend kritischer gegenüber China positionieren, setzt China stattdessen auf den West-Balkan. Lieblingspartner ist offenbar Serbien. Dort wird – in Teilen der Bevölkerung zumindest – die Liebe erwidert. Die neue kommunistische Partei des Landes will demnächst in einem Belgrader Park eine Statue von Xi Jinping aufstellen. Wenn das Tito wüsste…
Info:
Zum Einfluss Chinas auf dem West-Balkan ein aktueller Podcast des European Council on Foreign Relations (ECFR): https://ecfr.eu/podcasts/episode/chinas-strategic-approach-to-the-western-balkans/?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=ecfr_general_newsletter