WIRTSCHAFT I Autoverkäufer Huawei

Manche Kunden rieben sich verwundert die Augen, als sie am Morgen des 22. April an den Schaufenstern von Huawei Flagship Stores in diversen chinesischen Städten vorbeiliefen:  Sind das nicht zwei Autos, die da ausgestellt werden? Haben die sich verfahren? Nein, ausgestattet mit Huawei-Software standen sie schon am richtigen Platz. Huawei verkauft nun neben Smartphones auch Autos. Ein blaues und ein weißes Modell namens SF5 stehen seit dem obigen Datum in den diversen Showrooms des Telekommunikations-Konzerns. Er produziert die Autos freilich nicht selbst, sondern sie werden von dem reichlich unbekannten Autobauer Chongqing Sokon Industry Group hergestellt und geliefert. Der SF5 ist ein Plug-in-Hybrid, der elektrisch eine Reichweite von 180 Kilometern hat und zu einem Einstiegspreis von 216 800 Yuan (rund 27 850 Euro) angeboten wird. Warum steigt Huawei in das Autogeschäft ein?  Huawei benötigt neue Geschäftsfelder, weil die alten nicht mehr so erfolgreich sind. Huawei leidet mehrfach unter den Sanktionen der US-Regierung, die – ohne je Beweise vorgelegt zu haben – das Unternehmen der Spionage bezichtigt. Inzwischen haben sich viele andere westliche Länder dem Boykott-Aufruf der USA angeschlossen. Ihre Netzbetreiber dürfen/sollen kein Equipment von Huawei kaufen, obwohl der Konzern bei 5G weltweit führend ist. Außerdem erschwerten die USA für Huawei den Kauf von Chips und Software aus den USA (und Taiwan). All das schlägt sich in den Zahlen des Konzerns nieder. Im globalen Smartphone-Ranking rutschte Huawei auf den fünften Platz. Im ersten Quartal 2021 ging der Konzernumsatz um 16,5 Prozent auf 23,5 Milliarden $ zurück. Eric Xu, aktueller Chairman des Konzerns, sagte bei der Veröffentlichung der Quartalszahlen: „2021 will be another challenging year for us, but it´s also the year that our future development strategy will begin to take shape.” Ein wichtiger Teil dieser Strategie ist das Auto, das sich zunehmend zu einem rollenden Computer entwickelt. Mit 18 Autofirmen bildet Huawei das sogenannte „5G Automotive Ecosystem“. Mitte April stellte Huawei sein intelligentes Steuerungssystem HI für Autos vor. Es ermöglicht auch autonomes Fahren. Das erste Auto mit dem neuen System ist Arcfox, eine Elektro-Marke des Autokonzerns BAIC. Dass Huawei künftig selbst Autos bauen will, dementiert Wang Jun, Präsident der Intelligent Automotive Solutions Unit: „We are acting as a supplier rather than a competitor.” Das Ziel von Huawei sei “bringing the digital world to every car.” Zur neuen Strategie Huaweis gehört auch, sich stärker im Markt für elektronisches Bezahlen zu engagieren. Noch wird dieser Markt in China von AliPay und WeChat Pay dominiert. Mit Huawei Pay will der Konzern aus Shenzhen gegen das Duopol antreten und auch bei der Einführung der digitalen Währung mitmischen. Keine Frage: Der Konzern ist im Umbruch. Das beweist auch der Brief von Gründer Ren Zhengfei, den er Ende April an die Mitarbeiter verschickte. Darin deutete er zum ersten Mal an, dass Huawei eventuell an die Börse gehen könnte. Termin und Ort nannte er nicht. Aber eins ist sicher: New York wird es nicht sein.  

Info:

Eine Probefahrt mit dem Arcfox Polar Fox Alpha S kann man hier durch Shanghai unternehmen: https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=d9FM08DWsdw&feature=youtu.be

No Comments Yet

Comments are closed