WIRTSCHAFT I Strafe für Alibaba & Co.

Alles, was in der chinesischen Digitalwelt Rang und Namen hat, eilte am Dienstag, den 13. April, gehorsam in ein schmuckloses Bürogebäude in Beijing. Vertreter von 34 Konzernen fanden sich dort ein.  Die ganz Großen – von Alibaba über JD.com bis Tencent – waren dabei, die Videostreamer Douyin/TikTok, Bilibili und Kaishou, die Lieferdienste Meituan und ele.me, die Reiseportale Trip.com und Qunar, der Fahrdienstleister Didi, und, und… Schnell rechneten Journalisten aus, wieviel ökonomische Macht da zusammensaß: Auf 2,7 Trillionen Dollar schätzten sie die Marktkapitalisierung dieser Konzerne. Das ist mehr als das Sozialprodukt Großbritanniens und zeigt, wie mächtig Chinas Digitalkonzerne inzwischen sind. Sind sie – übrigens alles Privatunternehmen – eine Macht im Staate? Haben sie gar zu viel Macht?   

Die drei Behörden – State Administration for Market Regulation (SAMR), China Cyberspace Administration und China Taxation Administration – die die Unternehmen zum Rapport gebeten hatten, haben diese Fragen schon beantwortet. Für sie nutzen die Online-Giganten ihre Macht exzessiv aus. Deshalb haben sie dieses „administrative guidance meeting“ benutzt, um sie zu belehren, ihre Macht nicht überzustrapazieren und sich an die Regeln zu halten. Wenn sie das nicht täten, – so die Warnung in einem Statement nach dem Treffen – würden sie „severely punished in accordance with the law“.  Und sie fügten noch hinzu: „Let Alibaba be a lesson.“

Drei Tage vor dem Treffen – und das war sicher kein Zufall – wurde der Online-Gigant Alibaba abgestraft. Umgerechnet 2,8 Milliarden Dollar muss er an die Staatskasse überweisen. Das ist nach Einschätzung von Wettbewerbsrechtlern noch ein relativ mildes Urteil. Die Strafe beträgt „nur“ vier Prozent des Inlandumsatzes von Alibaba. Laut Gesetz wären bis zehn Prozent des Umsatzes möglich gewesen. Alibaba habe – so die SAMR – seit 2015 seine dominierende Stellung im chinesischen Online-Handel missbraucht. Vor allem die „er yuan yi“-Praxis stand im Fokus der monatelangen Untersuchung der Wettbewerbshüter. Nach dieser Praxis (englisch: „picking one from two“) wird Unternehmen untersagt, ihre Produkte auf weiteren Plattformen anzubieten. Wer also seine Waren über Alibabas Plattformen verkauft, darf diese nicht auch bei der Konkurrenz von JD.com oder Pinduoduo anbieten. Das Alibaba-Management bekannte sich brav schuldig und nahm das Urteil demütig an.

Der Online-Sektor in China ist in den vergangenen Jahren extrem schnell gewachsen. Es entstand ein Wildwuchs, der lange Zeit nicht von Gesetzen und Verordnungen eingehegt wurde. Aber das ist auch typisch für das pragmatische China: Man lässt die Unternehmen erst mal gewähren, um dann bei Fehlentwicklungen gesetzgeberisch zu korrigieren. Vielleicht hat man auf dem Online-Markt zu lange gewartet. E-Commerce-Krösus Alibaba hat mit seinen beiden Plattformen Tmall und Taobao einen  Marktanteil von über 60 Prozent. Tencent hat mit WeChat die alles dominierende App, die Dutzende von Services anbietet. Beim Online-Bezahlen herrscht das Duopol von Alipay und WeChatPay. Bei den Fahrdienstanbietern ist Didi Fast-Monopolist.  Einige nutzten ihre Marktmacht aus und schröpften ihre Kunden zum Teil willkürlich. So zahlten Neukunden oft weniger als die Stammkunden, die Nutzer von iPhones mehr als die von Android-Geräten. Die Phantasie war offenbar groß.

Mit diesen Praktiken soll aber nun Schluss sein. In der Sitzung am 13. April wurde den Digital-Konzernen ein Monat Zeit gegeben, ihre Regeln den Gesetzen anzupassen.

 

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