China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Young China Hand vorgestellt: Alexandra Stefanov (32).
2009 war Alexandra Stefanov zum ersten Mal in China. In Tianjin absolvierte sie an der Nankai Universität ein Auslandsjahr. Es war eine andere Welt als heute. Als Ausländer wurde man auf der Straße angesprochen. Die Luft war verschmutzt. Man bezahlte mit Bargeld. Sie hatte – wie viele Chinesen – noch kein Smartphone, telefonierte auf dem Festnetz mit Deutschland. Zehn Jahre später bei ihrer vorerst letzten China-Reise traf sie auf ein völlig anderes China: „Alles ist mobil, der Alltag ist digitalisiert, viele Roboter sind im Einsatz.“ China sei uns bei der Digitalisierung mindestens fünf Jahre voraus, sagt sie. Weil das hierzulande immer noch viel zu wenig Leute wissen (wollen), hat Stefanov im Frühjahr 2020 in Frankfurt ihr Beratungsunternehmen China Impulse gegründet, um über die chinesische Digitalwelt zu informieren. Innerhalb kurzer Zeit hat sie sich mit diversen Aktionen in der deutschen China-Community einen Namen gemacht.
Mit 12 Jahren kam Alexandra Stefanov mit ihren Eltern aus Rumänien nach Deutschland. Nach dem Abitur ging sie auf Messen und Veranstaltungen, um Anregungen für ein Studium zu bekommen. Auf einer dieser Treffen stieß sie auf die Professorin Lena Henningsen, die für ein Sinologie-Studium warb. Chinesisch – das klang exotisch, das gefiel Stefanov, zumal sie auch schon an der Schule etwas Chinesisch gelernt hatte. Sie begann das Studium der Sinologie sowie der Transcultural Studies an der Universität Heidelberg und zog es durch, inklusive des Auslandsjahres in Tianjin. Später war sie dann noch mehrere Monate in Shanghai, um für ihre Master-Arbeit über die Internet-Sprache zu recherchieren. Sie untersuchte Ausdrücke und Wörter, die junge Internet-User kreiert hatten und die den Weg in den chinesischen Wortschatz gefunden hatten. „Dabei habe ich gemerkt, wie kreativ die chinesische Sprache ist.“ Ihre Liebe zu dieser Sprache führte sie nach dem Studium erst einmal zu einem Team, das eine Chinesisch-Lern-App entwickelte. Es folgten Jobs als Eventmanagerin, unter anderem auch bei der Digitalisierungs-Initiative der Deutschen Wirtschaft. „Dabei habe ich gemerkt, wie wenig wir in Deutschland über Chinas Digitalwelt wissen.“ Sie beschloss, das zu ändern. Im Mai 2020 gründete sie China Impulse. „Ich wollte das einfach mal probieren“, sagt sie. Sie war in dem Ein-Frau-Startup Mädchen für alles. Website, Layout, Technik – alles machte sie selbst. Im Herbst startete sie eine Interviewreihe über Chinas digitale Welt, in der 20 China-Experten zu Wort kamen, zu denen ich auch gehöre. Diese Reihe erzeugte in der Community große Beachtung und Anerkennung. Inzwischen sind die Interviews auch als Buch erschienen (siehe Info). Und weil diese Reihe so erfolgreich war, schob sie in diesem Jahr eine zweite nach.
Ansonsten leidet Alexandra Stefanov wie so viele an der Pandemie-bedingten Veranstaltungs-Quarantäne. Sie hat viele Ideen für Vorträge und Workshops. Und ein nächstes Projekt ist auch schon in der Pipeline. Nur so viel sei verraten: Es wird ein analoges Produkt.
Info:
Das von Alexandra Stefanov, Claudia Bünte und Till-Hendrik Schubert herausgegebene Buch „Digitalisierung Made in China – Wie China mit KI und Co. Wirtschaft, Handel und Marketing transformiert“ ist im Verlag BoD erschienen, hat 238 Seiten und kostet als Hardcover 19,99 Euro, als Ebook 9,99 Euro. Die Webseite von Alexandra Stefanov lautet: www.china-impulse.de