Immer mehr europäische Staaten überlegen, wie sie mit dem mächtiger werdenden China umgehen sollen. Die EU-Kommission hat bereits im März 2019 ein China-Papier formuliert. Einige Mitgliedsländer wie die Niederlande und Schweden haben seitdem ein eigenes Strategiepapier zu China entwickelt, andere wie Irland und Spanien haben Papiere zu ganz Asien veröffentlicht. Am 19. März folgte die Schweiz mit der „China-Strategie 2021-24“. Das neutrale Land tituliert darin China („eine neue Weltmacht“) nicht wie die EU oder die USA als systemischen Rivalen. Das 40-Seiten-Dokument des Bundesrats (entspricht der Regierung) versucht einen Spagat zwischen Wirtschaft und Werten. China ist der drittwichtigste Handelspartner der Schweiz, die Hotels verzeichneten vor Corona rund 1,4 Millionen Übernachtungen durch chinesische Touristen. Dem gegenüber stehen die Werte Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. „Hinsichtlich dieser Werte liegt die Schweiz oftmals nicht auf einer Linie mit China“, steht in dem Papier. Weiter heißt es: „China ist de facto ein Einparteienstaat. Autoritäre Tendenzen haben in den letzten Jahren zugenommen, ebenso die Repression gegen Andersdenkende und die Verfolgung von Minderheiten.“ Das sind ungewöhnlich deutliche Worte von den Eidgenossen, die prompt eine Reaktion des chinesischen Botschafters in der Schweiz, Wang Shiting, provozierte: „Unbegründete Anschuldigungen und Angriffe auf Chinas politisches System.“ Im weiteren Verlauf wird das Papier friedlicher. „Die Schweiz sucht gezielt die Zusammenarbeit mit China.“ Sie bleibe dem Dialog verpflichtet. Jetzt schon hat die Schweiz verschiedene Dialogformate, wie zum Beispiel den Menschenrechtsdialog (bereits seit 1991!) und die „innovative strategische Partnerschaft“ (seit 2016). Mit Sorge betrachte die Schweizer Regierung die „geopolitische Polarisierung“ zwischen den USA und China. Sie plädiert stattdessen für einen Multilateralismus: „Der Bundesrat setzt sich für eine Einbindung Chinas in die liberale internationale Ordnung und in die Bewältigung globaler Herausforderungen ein.“ Am Schluss kommt der Bericht mit einem konkreten Ergebnis: Um eine kohärente China-Politik zu etablieren und zu verfolgen, will der Bundesrat einen
Koordinierungsausschuss China einsetzen. Er soll aus Vertretern der sieben Departemente (Ministerien) bestehen, wobei die Federführung das EDA hat, das Eidgenössische Department für auswärtige Angelegenheiten. Das neue Gremium soll mindestens dreimal im Jahr tagen. Ein Vorbild für Berlin?
Info:
Das Schweizer Strategiepapier kann hier heruntergeladen werden: https://www.eda.admin.ch/dam/eda/de/documents/publications/SchweizerischeAussenpolitik/Strategie_China_210319_DE.pdf
Die Strategiepapiere der EU-Mitgliedsstaaten Niederlande und Schweden gibt es hier: https://www.government.nl/documents/policy-notes/2019/05/15/china-strategy-the-netherlands–china-a-new-balance und https://www.government.se/4adb19/contentassets/e597d50630fa4eaba140d28fb252c29f/government-communication-approach-to-matters-relating-to-china.pdf