GESELLSCHAFT I Beidseitige Ehe

Es war eine ungewöhnliche Ehe, die Hu Xing (31) und ihr Gatte eingegangen sind. Ihre Eltern zahlten keine Mitgift, seine Eltern forderten kein Brautgeld. Die Familien der beiden kamen überein, alle Kosten fifty-fifty zu splitten – von der Hochzeit bis zu den Erziehungsausgaben für die Kinder. Zwei Kinder sollte das Ehepaar bekommen, was auch prompt eintrat. Das älteste Kind bekam den Namen des Vaters, das zweite den Namen der Mutter. Nach der Geburt des ersten Kindes zog die junge Familie zu den Eltern des Vaters, nach der Geburt des zweiten Kindes zu den Eltern der Mutter.

Ist dieses paritätische Miteinander das neue Ehe-Modell in China? Diese chinesische Variante des Ehegattensplittings wird „liang tao hun“ genannt, was auf Englisch two-sided marriage heißt und im Deutschen mehr schlecht als recht mit beidseitiger Ehe übersetzt werden kann. Diese Form der Ehe gibt es im Osten Chinas schon seit längerem, aber erst seit kurzem ist sie ein heißes Thema in den sozialen Medien. Auslöser dieser Diskussion war ein Artikel in „China Women´s News“, der „liang tao hun“ als einen neuen Trend in den Provinzen Jiangsu und Zhejiang ausmachte. Frauenrechtlerinnen sehen darin ein Modell für eine moderne Beziehung, weil sie der vielfältigen Diskriminierung der Frau in der traditionellen Ehe ein Ende setzen könnte. Es ist eine Abkehr von der Tradition, dass die Frau zur Familie des Mannes zieht. Kritiker in der Debatte monieren, dass dieses Modell zwei Kinder voraussetzt. Das ist zwar nach Ende der Ein-Kind-Politik erlaubt, aber in praxi nehmen wenige Eltern diese neue Freiheit in der Familienplanung in Anspruch. Viele können sich ein zweites Kind schlicht und einfach nicht leisten, weil die Kosten zu hoch sind.

 

Info:

Einen interessanten Artikel über die beidseitige Ehe gibt es in dem Online-Magazin Sixth Tone, aus dem auch das Eingangsbeispiel zitiert wird: https://www.sixthtone.com/news/1006778/the-chinese-couples-going-dutch-on-literally-everything#

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