Zwei Professoren der FU Berlin – der Soziologe Jürgen Gerhards und der Politologe Michael Zürn – haben in der FAZ vom 13. Januar einen interessanten, für manche auch provokanten Artikel geschrieben. „China gewinnt im Systemvergleich“ lautet die Titelzeile. Manche oberflächlichen Hinweghuscher haben schon gelesen: China gewinnt den Systemvergleich. Nein, soweit gehen die Autoren nicht. Aber sie konzidieren: „In einem atemberaubenden Tempo hat das Reich der Mitte in fast allen Bereichen der gesellschaftlichen Entwicklung den Abstand zu den westlichen Gesellschaften verringert.“ China sei deshalb zum zentralen Konkurrenten im Wettbewerb der Systeme aufgestiegen. Dabei verkörpere China den neuartigen Typus eines autokratischen Systems. „China ist eine technokratische Autokratie mit einer erkennbaren Gemeinwohlorientierung und einer Verpflichtung auf den Erfolg.“ China sei mehr als ein Selbstbedienungsladen der Herrschenden oder eine plutokratische Diktatur. Insofern würden sich Vergleiche mit dem Nationalsozialismus und Stalinismus verbieten.
Ausführlich gehen die Autoren auf Chinas Rolle in der Pandemiebekämpfung ein. Sie vergleichen zunächst die Zahl der Opfer (Stand Jahresende 2020): 350 000 in den USA, 430 000 in der EU und 5000 in China. Ihr Fazit: „Auf den ersten Blick ist China der eindeutige Gewinner beim zentralen Thema des Jahres.“ Die Zahlen ließen „China als Legitimationssieger aus dem Systemwettbewerb des Jahres 2020 erscheinen.“ Doch ein solcher Schluss sei vorschnell. Denn nicht die liberalen Demokratien als solche hätten versagt, sondern nur gewisse Staaten mit populistischen Tendenzen wie zum Beispiel die USA.
Mein Fazit: Endlich mal eine differenzierte Darstellung des Systemwettbewerbs. Mehr davon – in der Wissenschaft, in der Politik, in den Medien!
Info:
Der Artikel steht hinter der Bezahlschranke der FAZ: https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/china-gewinnt-im-systemvergleich-bei-corona-pandemie-bewaeltigung-17141504.html