POLITIK I CDU-Kandidaten und China

Die allerletzte Frage galt dann China: „Haben Sie eine China-Strategie?“, fragte die Moderatorin Tanja Samrotzki die drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz, die sich am Abend des 8. Januar im Konrad-Adenauer-Haus den CDU-Mitgliedern präsentieren. In zwei rund 90minütigen Runden – die erste fand am 14. Dezember statt – wurden jeweils drei Themenblöcke behandelt. Der letzte beschäftigte sich mit Außenpolitik. Und innerhalb dieses Blocks galt die letzte Frage China. Also: Herr Röttgen, Herr Laschet, Herr Merz – haben Sie eine China-Strategie? Als erster durfte Norbert Röttgen antworten. Außenpolitik ist ja seit Jahren sein Metier. Er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Zur Frage: „Ja klar, ich habe sehr konkrete Vorstellungen“, sagt Röttgen, dabei immer in die Kamera schauend. Er wolle kein feindseliges Verhältnis zu China, aber das Land habe sich unter Xi Jinping nun mal verändert, und das nicht zum Positiven. China betreibe eine aggressive Außenpolitik. China sei für den Westen die größte internationale Herausforderung. Er trete für Kooperationen ein. Erstens innerhalb der EU: „Wir brauchen eine europäische China-Strategie.“ Zweitens mit den USA: „Ich plädiere für eine transatlantische Strategie, die jetzt wieder möglich ist.“ Röttgen sieht aber auch, dass Europa seine Hausaufgaben machen muss, um gegen das aufstrebende China zu bestehen: „Entscheidend wird unsere Technologiestärke sein. Da müssen wir mehr tun.“

Dann war Armin Laschet dran und griff die letzten Gedanken Röttgens auf: „Wir müssen technologisch genauso gut (wie China) sein – und das können wir nur europäisch.“ Er skizziert keine eigene China-Strategie, verweist stattdessen auf die China-Strategie der aktuellen Bundesregierung, die eine europäische sei. Und das sei richtig. „China ist ein großer Markt, aber mit eklatanten Menschenrechtsverletzungen“, analysiert der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Aber sich zwischen diesen beiden Polen zu bewegen, diese auszutarieren, das sei ja nun mal die Kunst der Außenpolitik.

Friedrich Merz blickte in seinem Statement erst einmal zurück: „Wir haben in den letzten Jahren die Macht Chinas unterschätzt. Wir haben die Entwicklung dort nicht genügend beobachtet.“ Er verweist auf die Seidenstraße („ein imperialistisch-politisches Projekt“) und den 17. Parteitag, an dem sich Xi Jinping zum lebenslangen Parteichef küren ließ. Für Merz stellt China „eine ernsthafte Bedrohung unserer Freiheit und des freien Welthandels dar.“ Sie würden Verträge brechen und das „vollkommen rücksichtlos“. Nach der Analyse kamen seine Forderungen. Erst sehr allgemein: „Wir sollten viel härter (gegenüber China) sein.“ Dann etwas konkreter: „Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft muss reduziert werden.“ Und am Schluss sagt er für einen Transatlantiker Selbstverständliches: „Wir müssen transatlantische Strategien entwickeln, wie wir mit China umgehen.“

Es ist 20.18 Uhr am Freitag, den 8. Januar. Ende der Veranstaltung. Eine Woche später wird auf dem virtuellen Parteitag gewählt. Das Thema China wird dort sicher keine große Rolle spielen, aber es ist schon wichtig zu wissen, wie diese Herren zu China stehen. Denn es kann durchaus sein, dass einer von ihnen der nächste Bundeskanzler sein wird und damit die außenpolitischen Richtlinien bestimmt.

Da die obigen Statements in der Vorstellungsrunde kurz sein mussten, will ich sie um weitere Äußerungen der drei Herren ergänzen.

Norbert Röttgen: „Die Bewertung Chinas scheint mir von einer gewissen Naivität und Kenntnislosigkeit geprägt zu sein. China entwickelt sich immer mehr von einem autoritären System zu einer Diktatur. Die Unterdrückung nach innen und das Machtstreben nach außen nehmen immer mehr zu. (Zeit Online, 31. Mai 2020)

„Deutschland hat zu China die erfolgreichste außenwirtschaftliche Beziehung, die es wohl in der Welt gibt. Darauf haben wir in der Vergangenheit unser China-Verhältnis im Wesentlichen beschränkt.” Dinge wie regionaler Machtanspruch oder Menschenrechtsfragen seien “am Rande auch mal vorgekommen”. Inzwischen aber habe China eine weltpolitische Bedeutung mit einem Gestaltungsanspruch, der sich nicht an internationale Normen halte. “Darum geht diese alte Verhaltensweise heute mit dem neuen Machtanspruch Chinas nicht mehr.” Das sei keine langfristige Strategie zu Gestaltung internationaler Beziehungen. (Deutschlandfunk, 9. Juli 2020)

Friedrich Merz: „Ich möchte uns nie in einer Situation sehen, dass wir zwischen Amerika und China entscheiden müssen. Das ist die Zeit für wirklich große strategische Entscheidungen», sagte Merz. Der Ton zwischen Amerika und Europa werde mit Biden „wieder einigermaßen normal“ werden. „Trotzdem werden Amerikaner und Europäer ihre Interessen wahrnehmen. Und die sind nicht überall deckungsgleich.“ (dpa, 1. Januar 2021)

Armin Laschet: „Wir stehen weltweit vor der Frage: Welches Gesellschaftsmodell ist das erfolgreichere? Wenn es am Ende so wäre, dass ein autoritäres Land wie China schneller aus der Pandemie herauskommt und am schnellsten wieder wirtschaftliches Wachstum hat und die liberalen Gesellschaftsmodelle in Europa und in den Vereinigten Staaten dazu nicht in der Lage sind, dann hätten wir im Wettbewerb unterschiedlicher Gesellschaftssysteme einen ganz wichtigen Moment verloren.“ (WELT European Summit).

„Wir stehen in einem Systemwettbewerb mit China, das die Pandemie mit rigoroser Überwachung bekämpft. Mit Mitteln, die mit unserem westlichen Menschenbild nicht vereinbar sind.» Der Westen müsse beweisen, dass er die Bevölkerung schnell impfen und trotzdem auch für arme Länder Kapazitäten bereithalten könne. „Dieser Systemwettbewerb der freiheitlichen Gesellschaften ist noch nicht gewonnen“. (dpa, 2. Januar 2021)

Mein Fazit: Armin Laschet wird am ehesten den moderat-merkantilistischen Ansatz von Angela Merkel fortführen. Die Transatlantiker Merz und Röttgen werden härtere Töne gegenüber China anschlagen, am besten im Konzert mit den USA. Interessant ist, dass Wirtschaftsexperte Merz fordert, dass die deutsche Wirtschaft ihre Abhängigkeit von China reduzieren soll. Aber es kann durchaus sein, dass die Herren im Amt anders reden (und handeln) werden, wenn die Politik des Wünschenswerten auf die Politik des Machbaren trifft. Erinnern wir uns nur daran, was Angela Merkel im Mai 2006 – damals relativ frisch im Amt – auf ihrer ersten China-Reise so redete und forderte.

No Comments Yet

Comments are closed