CHINAHIRNisst…in Hamburg / Von Mark Böschen

…im Suzy Wong in der Milchstraße. Der Aufstieg über eine kleine weiße Betontreppe erhebt den Besucher über die Boutiquen und Bars von Pöseldorf. Hinter der Glastür betritt der Gast eine andere Welt voll fliegender Drachen und auf Wolken schwebender Göttinnen. Wer sich unter einem Bambusdach im vorderen Teil des Restaurants niederlässt, kann von seiner erhabenen Position aus die oft erstaunlich gut gebräunten Luxus-Shopper beobachten, die unten durch die kalte, feuchte Hamburger Luft spazieren.

Wir bestellen hier immer reichlich Vorspeisen. Die gedämpften Teigtaschen sind zu loben, schließlich gilt Jaozi in Beijing als Steigerungsform von lecker. Besonders zu empfehlen ist der Würzige Kaofu. Hierfür wird Weizenteig so lange in Wasser eingeweicht und durchgeknetet, bis möglichst viel Stärke ausgeschwemmt ist und das Klebereiweiß (oder, um dieses Angst und Schrecken auslösende Wort nicht zu verschweigen, Gluten) zurückbleibt. Die poröse Masse wird dann in einer würzigen, dunklen Soße der fünf Geschmäcker getränkt und kalt serviert. Dazu passt die vegetarische Gans, ein Gericht aus der Kochtradition der buddhistischen Mönche, in der Fleischgerichte ohne die Hauptzutat nachgestellt werden. Auch der Quallensalat oder der Salat aus Tofustreifen mit Sellerie und Koriander sind anderswo kaum zu findende Köstlichkeiten. Es empfiehlt sich, von den Vorspeisen gleich zur Pekingente überzugehen. Die hauchdünnen Pfannkuchen, die Soße und die Entenhaut sind hier stets appetitlich zubereitet. Ganz im Gegensatz, diese Nebenbemerkung sei gestattet, zu jenem Chinarestaurant in der Innenstadt, wo dem Verfasser dieser Zeilen vor einigen Monaten ein Stapel pizzagroßer, daumendicker Pfannkuchen zum hautlosen Entenfleisch aufgetischt worden ist, ebenfalls unter dem – hier allerdings irreführenden – Titel Pekingente.

Erwähnen möchte ich noch das freundliche Personal von Suzy Wong. Auch im Palast des Himmelskaisers könnten die Gäste kaum freundlicher umsorgt werden. Das genannte Programm aus Vorspeisen und Pekingente dürfte für kleine bis mittelgroße Runden vollkommen ausreichen. Wer in großem Kreise tafeln und dabei warme Hauptspeisen serviert haben möchte, sollte einmal das Han Yang in Niendorf ausprobieren, das wie das Suzy Wong seit den 1980er Jahren von Ming-Chu Yu betrieben wird, die Ende der 1950er Jahre als einjähriges Mädchen aus Hongkong mit ihrer aus Yangzhou stammenden Familie nach Hamburg gekommen ist. Dringend geraten ist eine Reservierung, um nicht nach der beschwerlichen Reise an die Stadtgrenze vor einem Restaurant voll fröhlich tafelnder chinesischer Mitbürger zu stehen, das bis auf den letzten Platz besetzt ist, wie es mir bei meinem bislang einzigen Ausflug in den hohen Norden Hamburgs widerfahren ist, was natürlich für die Qualität der Küche spricht.

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*Mark Böschen ist seit 2010 Redakteur beim manager magazin in Hamburg, Er hat Sinologie und Politikwissenschaft in Hamburg und Beijing studiert.

Info:

Suzy Wong, Mittelweg 141, Öffnungszeiten: Dienstag-Samstag 12-14 Uhr und 18-21 Uhr; Sonntag: 14 -20 Uhr; www.restaurant-suzywong.de

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