Erinnert sich noch jemand an den Milchpulverskandal in China anno 2008? Damals verkaufte die chinesische Firma Sanlu verunreinigtes Milchpulver. Viele Säuglinge starben. Viele Chinesen vermieden danach chinesische Produkte, griffen lieber zu ausländischen Marken, zu Aptomil von Danone oder Iluma von Nestlé. Aber nicht nur bei Milchpulver zog man ausländische Marken (englisch: Brands) vor. So ging das jahrelang, ja fast ein ganzes Jahrzehnt waren chinesische Brands – zumindest im Lebensmittelbereich – verpönt.
Und heute? Nummer Eins bei Milchpulver ist Feihe, ein chinesischer Hersteller – vor Aptomil und Iluma.
Ausgerechnet beim ehemaligen Skandalprodukt ist das Vertrauen wieder da. Das unterstreicht einen klaren Trend: Chinesische Brands sind im eigenen Land im Kommen – und zwar quer durch alle Konsumgüterbranchen. Nach einer aktuellen Studie von World Brand Lab hat sich der Wert der 500 größten chinesischen Marken auf 3,8 Trillionen Dollar verdoppelt.
Im besonders lukrativen Kosmetikmarkt sind unter den Top Ten derzeit sieben chinesische Marken. Vor drei Jahren waren es gerade mal drei. Die hierzulande unbekannte Marke Perfect Diary, erst 2017 gegründet, attackiert heute L`Oréal und Estée Lauder. Perfect Diary ist eine irre Erfolgsgeschichte. Der Mutterkonzern Yatsen Holding ging vor kurzem an die New Yorker Börse und kassierte 617 Millionen Dollar.
In der Sportartikelbranche hängte Anta Sports in China soeben Nike ab und ist nun Adidas auf den Fersen. Und dahinter lauert bereits Li Ning, die Marke des Turn-Olympiasiegers von 1984. Galt schon mal als Shooting Star, hatte aber dann einen gewaltigen Durchhänger und rappelt sich jetzt wieder nach oben.
Bei Mineralwassern dominiert Nongfu Spring. Das Unternehmen ging Anfang September in Hongkong an die Börse. Ihr Gründer Zhong Shanshan wurde dadurch zum drittreichsten Chinesen.
Warum die Renaissance der chinesischen Konsum-Marken? Es gibt eine ganze Palette von Erklärungen dafür. Chinesische Markenprodukte sind in der Regel günstiger als ihre ausländischen Konkurrenten, die zwar nicht mehr so kräftig wie vor Jahren abkassieren, aber preislich liegen sie immer noch deutlich über den chinesischen Produkten, obwohl in der Qualität gar nicht mehr so viel Unterschied besteht.
Zweitens verstehen chinesische Unternehmen einfach das Business in ihrem eigenen Land besser. Sie kennen die Vertriebswege, sie verstehen das E-Commerce, und sie wissen die neuen Marketinginstrumente wie Videostreaming besser einzusetzen.
Drittens ist auch ein Schuss Nationalismus dabei, wenn Chinesen lieber zu einheimischen Marken greifen. Sie fragen sich: Warum soll ich amerikanische Marken kaufen, wenn die Amerikaner uns so behandeln? Es gilt dann für sie eben auch: China first. Das bekommen Unternehmen wie Nike, aber auch Apple inzwischen deutlich zu spüren.
Und viertens haben sie ein besseres Näschen für die Geschmäcker ihrer Landsleute. Kein ausländischer Hersteller wäre auf die Idee gekommen, einen Käse mit Ananas-Geschmack zu produzieren. Mengniu Dairy, Chinas größter Milchprodukt-Konzern, hat das getan.
Info:
Ein Video über die aktuell 100 wertvollsten chinesischen Brands gibt es hier:
https://www.youtube.com/watch?time_continue=2&v=jzGTUpdFyNs&feature=emb_logo