Ich treffe Maximilian Kalkhof (36) auf einen Coffee-to-go in der Hermannstraße im Berliner Szeneviertel Neukölln. Gemeinsam schlendern wir zum nahen Tempelhofer Feld, wo wir eine ausgiebige Runde drehen. Eigentlich wäre Kalkhof längst in Beijing. Seit Oktober 2019 ist er China-Korrespondent für die Tageszeitung Die Welt und Welt am Sonntag (WamS). Doch er berichtet immer noch aus Neukölln über China.
Er hat bisher keine Akkreditierung erhalten. Denn die chinesische Botschaft stellt derzeit keine neue Visa für Journalisten aus. Sie begründet dies mit Corona. Aber vielleicht ist die Pandemie ja auch nur ein willkommenes, vorgeschobenes Argument- schließlich hat Kalkhof seine Akkreditierung vor der Pandemie beantragt. Er ist nicht der einzige deutsche Journalist, der derzeit auf sein Visum wartet. Aber sein Blatt, Die Welt, gehört ja bekanntlich zum Springer-Konzern. Und der Springer-Konzern hat mit der amerikanischen Investmentfirma – früher hätte man Heuschrecken gesagt – KKR einen veritablen Großaktionär. Das wissen nicht so viele. Aber die Chinesen wissen es natürlich. Springer-Journalisten sind nach ihrer simplen Lesart deshalb schreibende Befehlsempfänger amerikanischer Behörden oder gar Geheimdienste. Kalkhof sagt, es habe schon wiederholt Gesprächsrunden in der chinesischen Botschaft gegeben. Da loben sie ihn wegen seiner guten Sprachkenntnisse, kritisieren ihn aber wegen seiner Berichte und Kommentare zu Hongkong, Taiwan und Xinjiang.
Wie kam Kalkhof zu China? Nach dem Abi machte er seinen Ersatzdienst auf Taiwan, im Süden der Insel betreute er behinderte Kinder. Er wollte damals unbedingt ins Ausland, dass es Taiwan wurde, war eher Zufall. Aber das Chinesische, vor allem die Sprache gefiel ihm. Er fing nach seiner Rückkehr an in Freiburg Sinologie zu studieren. Später wechselte er dann nach Heidelberg, wo er seinen Bachelor machte. An der Taiwan National University zog er dann komplett sein Master-Studium durch. Er war von Taiwan aus oft auf dem Festland, jobbte zum Beispiel im deutschen Pavillon bei der Expo 2010 in Shanghai.
Nach dem Studium gab es für ihn drei Optionen: Diplomatischer Dienst, Wissenschaft oder Journalismus. Er entschied sich für letzteres, ging an die Evangelische Journalistenschule in Berlin. Es folgten zwei Jahre bei Spiegel Online in Hamburg und dann zwei eher harte Jahre als Freier. Die Sehnsucht nach einer Festanstellung wuchs. Er bekam sie im Think-Tank des grünen Ehepaars Ralf Fücks und Marieluise Beck – Zentrum Liberale Moderne. Doch in diese Zeit platzte dann die Anfrage der Welt, ob er nicht die Nachfolge von Johnny Erling, der Korrespondenten-Legende, antreten wolle. Er wollte natürlich. China und Journalismus – da fließen seine zwei Leidenschaften zusammen.
Oktober 2019 fing er bei der Welt an. Seitdem läuft auch der Akkreditierungsantrag. Ergebnis: Siehe oben. Aber Kalkhof kann kämpfen. Er war mal Rugbyspieler, brachte es bis in die Jugend- und Juniorennationalmannschaft. Jetzt macht er nur noch sanfte sportliche Bewegungen, Yoga zum Beispiel. Gelassenheit in seinem Falle kann er wahrlich gebrauchen.