MEINUNGSMACHER I Felix Lee

Lange Zeit war in meinem Karteikasten eine Visitenkarte von Wenpoo Lee, Volkswagen. Wir hatten uns irgendwann in den 90er Jahren in Beijing getroffen. Damals hatte VW sein Verbindungsbüro – englisch kurz RepOffice genannt – im China World Trade Center an der Jianguomenwai Dajie. Ich wartete im Vorzimmer auf Herrn Lee. Die Tür ging auf – und herausspazierte Klaus Schlappner (in Fußballerkreisen als „Schlappi“ bekannt). Schlappi war damals Nationaltrainer von China – und VW sponsorte dieses Engagement.

    Viele Jahre später lernte ich Felix Lee kennen. Irgendwann sagte er mir, dass er in Wolfsburg geboren wurde. Ich kombinierte: Wenn Wenpoo Lee – Volkswagen und Felix Lee – Wolfsburg dann Wenpoo Lee – Felix Lee. Ich fragte Felix zur Sicherheit: „Sag mal, heißt Dein Vater Wenpoo Lee?“ Er antwortete: „Ja“.        So, das wäre geklärt und jetzt endlich zu Felix Lee.

    Der 1975 in der Autostadt geborene Felix Lee ist überwiegend dort aufgewachsen. 1980 kam er erstmals mit seinen Eltern nach China, nach Shanghai. Zwischen 1985 und 1988  lebte er auch eine gewisse Zeit in Beijing, ging dort auf die Deutsche Schule. Aber sozialisiert wurde er dann doch in Wolfsburg, von wo er aber bald nach dem Abitur flüchtete. In Göttingen studierte er Sozialwissenschaften, Volkswirtschaft und Politik.

      Hatte er schon früh das Berufsziel Journalist? „Nein, mein schriftliches Deutsch war schlecht“, sagt der zweisprachig aufgewachsene Lee. Er redete lieber, jobbte neben seinem Studium beim lokalen Radiosender. „Eigentlich wollte ich Radio machen.“ Und es sah lange zeit auch danach aus, dass ihm das gelingt. Er absolvierte nach dem Studium die Berliner Journalistenschule und arbeitete dann als Freier für den Sender rbb.

    Und dann wurde 2003 bei der taz eine Stelle frei, und er stand vor der Frage: fest oder frei? Er entschied sich für die sichere Variante und wurde Wirtschaftsredakteur bei der taz. Als dann die Korrespondentenstelle der taz in Beijing frei wurde, weil Jutta Lietsch zurückging, übernahm er 2012 deren Stelle. Weil man aber von einem taz-Gehalt in Beijing nicht überleben kann, schrieb er noch für Zeit Online und einen großen Bauchladen.

     „Als ich hier angekommen bin, gab es auch ein Begrüßungsgespräch bei der Behörde. Natürlich hoffte die Behörde, dass ich als chinesisch-stämmiger Journalist auch chinesisch denke“, sagt Lee. Naja, da wurden die Bürokraten enttäuscht. Felix Lee kritisierte, wo es nötig, lobte aber auch, wenn es angebracht war. Ich schätze ihn als differenzierenden Beobachter.

   Zu Beginn seiner Beijinger Zeit sei das journalistische Arbeiten im Lande noch entspannt gewesen. „Es war erfrischend, wenn man alles anrufen konnte, ob Professoren an der Tsinghua Uni oder auch andere Experten.“ Aber dann sei es immer schwieriger geworden. Ein Schock sei für ihn die Verhaftung des uigurischen Wissenschaftlers Ilham Tohti gewesen, den er oft interviewt hatte. „Die politische Aufbruchstimmung meiner Anfangsjahre war ab 2015 weg“.

     Dabei hatte Felix Lee bei seinen Recherchen durchaus einen Vorteil durch sein Aussehen: „Als chinesisch-stämmiger Journalist fiel ich oft auch nicht so auf, Sicherheitskräfte hielten mich nicht gleich zurück.“  Es konnte aber auch ein Nachteil sein. Als er beim Besuch des damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck zu dessen Pressekonferenz im Hyatt wollte, verwehrten dem vermeintlichen chinesischen Spion deutsche Sicherheitsleute den Zutritt. Es kam sogar zu Handgreiflichkeiten, ehe deutsche Diplomaten dazwischen gingen. –

    Seit April 2019 ist Felix Lee wieder zurück in Berlin. Er wollte nicht der ewige Auslandskorrespondent sein. Bei der taz ist er in der Zentrale nun für die Weltwirtschaft zuständig.

      Sein Vater wohnt übrigens immer noch in Wolfsburg. Die Lebensgeschichte des 84jährigen ist ein spannendes Kapitel deutsch-chinesischer Wirtschaftsgeschichte. Wenpoo Lee spielte eine ganz entscheidende Rolle, dass VW überhaupt in China ist. Aber all das wird sein Sohn Felix bald selber ausführlich erzählen. Denn dieser hat gerade das Manuskript für sein neues Buch abgeliefert: „China, mein Vater und ich“.  Demnächst bei dtv.

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