OLD AND YOUNG CHINA HAND I Hans-Jörg Probst

China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Old China Hand vorgestellt: Hans-Jörg Probst.

Wir sitzen im Tianfu II in der Berliner Straße in Berlin. Ausnahmsweise mittags. Meist bin ich nur abends da, denn dann gibt es Feuertopf. Mein Gast Hans-Jörg Probst (72) studiert die Speisekarte. „Oh, es gibt Dan Dan Mian“, sagt er überrascht und bestellt diese Nudeln. Und dann erzählt er, dass er 1970 zum ersten Mal in Beijing diese scharfen Sichuan-Nudeln gegessen habe.

   Wenige Deutsche kennen China so lange, und dann noch aus zwei Blickwinkeln. Denn Hans-Jörg Probst ist in der DDR aufgewachsen. Abitur mit Berufsausbildung (Außenhandel-Facharbeiter) in Berlin, der Hauptstadt der DDR. Danach wollte er Ökonomie studieren, aber seine Mathe-Schwäche machte ihm ein Strich durch die Rechnung. Stattdessen hörte er von einem neuen Studiengang an der Humboldt Universität. Regionalwissenschaften mit verschiedenen asiatischen Sprachen. Zur Auswahl standen Chinesisch, Koreanisch, Vietnamesisch, oder Urdu. Mein Vater sagte: „Mach Chinesisch“.

   Und so fing Probst („mitten in der Kulturrevolution“) im Oktober 1967 mit Chinesisch an. Sechs Leute saßen im Seminar. Ralf Moritz kam zum Unterrichten aus Leipzig rüber. Bei Klaus Kaden (später Professor) lernte er die Sprache.  Auch heute ist er noch voll des Lobes über Kaden: „Der beste Chinesisch-Lehrer, den Deutschland hatte.“ Im dritten Studienjahr ging es erstmals nach China. Für drei Monate an die DDR-Botschaft. Die war gerade nach Sanlitun umgezogen. Heute unvorstellbar: „Das war damals Stadtrand“, sagt Probst.

    Nach dem Studium war klar: Als Arbeitgeber kam nur das Außenhandelsministerium oder Außenministerium in Frage. Es wurde letzteres. 1986 wurde er Presseattaché an der DDR-Botschaft in Beijing. Dann kam 1989 und das Ende der DDR und seiner Diplomatenkarriere. Zurück ins vereinigte Deutschland, zwei Jahre Umschulungsprogramm. Nach dessen Ende las er im Handelsblatt, dass in Beijing ein Lufthansa-Center geplant sei. Anruf in Köln, damals Sitz der Lufthansa. Dann ging alles ganz schnell. Vorstellungsgespräch, vier Tage später saß er im Flugzeug nach Beijing. Mit einem lokalen Vertrag als Assistent der Geschäftsleitung. Bis Ende 93 war er ohne Familie allein in Beijing. Weil im Lufthansa Center ein Kempinski Hotel war, hatte er gute Kontakte zu dieser Hotelkette, die ihn für die Zentrale in Neu-Isenburg engagierte. Director for Corporate Affairs war dort sein Titel. Na ja, es war nicht so seine Welt.

Dann der erlösende Anruf eines alten Bekannten, der in China zur Allianz Versicherung gewechselt war. Ob er denn nicht auch Interesse hätte. Er hatte. 1996 wechselte Probst zur Allianz, verbrachte die meiste Zeit in China, erst als Leiter des RepOffice in Beijing (damals hatten wir uns kennengelernt), später dann in Shanghai war er operativ tätig, Unter anderem reiste er durch viele Provinzen, um Feasability Studies für einen möglichen Markteintritt der Allianz zu erstellen. Er kenne alle Provinzen – außer Hainan und Xinjiang, sagt Probst.

     2008 wurde Probst 60 Jahre alt. Das heißt bei der Allianz: Tschüss. Doch Probst sagte sich: „Du kannst jetzt unmöglich nach Hause.“ Und es kam wieder der Anruf eines früheren Kollegen. Er sei beim Versicherer Ergo, der gerade sein China-Geschäft aufbauen wollte. Ob er denn nicht Interesse hätte. Er hatte, Bis Oktober 2011 war Probst für die Ergo in China. Dann ging es zurück ins heimische Berlin.

     Dort beschäftigt er sich immer noch intensiv mit China und dem chinesischen Essen. Er hat mir einst das Restaurant Peking-Ente in der Vossstraße 1 empfohlen. Jetzt konnte ich mich mit dem Tipp Tianfu II revanchieren. „Das waren hier nicht meine letzten Dan Dan Mian“, sagt er zum Abschied.

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