Wolfgang Niedermark (55) ist seit dem 1. Oktober neues Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Er ist in dem vierköpfigen Führungsgremium für die Themen Außenwirtschaft, Internationale Märkte und Europa zuständig und damit Nachfolger von Stefan Mair, der zum Think Tank Stiftung Wissenschaft und Politik (swp) (zurück-)wechselte.
Ach, wie oft haben sich unsere Wege in den vergangenen Jahren – oder man muss wohl in den vergangenen Jahrzehnten sagen – gekreuzt. In Hamburg, Berlin, Hongkong und bei einigen Asien-Pazifik-Konferenzen in diversen asiatischen Metropolen liefen wir uns über den Weg, frotzelten über unsere Fußballleidenschaft (er Bayern München, ich VfB Stuttgart), sprachen jedoch meist seriös darüber, was in Asien und China so passiert.
Zum ersten Mal trafen wir uns Mitte der 90er Jahre. Niedermark war beim OAV in Hamburg gelandet, als Regionalmanger für Indien zuständig. Dieses bunte, riesige Land und Südostasien hatten Niedermark schon während seines Studiums der Wirtschaftsgeographie an der Uni Münster interessiert. „Damals dachte ich, dass Indien China ziemlich schnell überholen wird“, sagt Niedermark gegenüber CHINAHIRN. Damals hatte sich unter Finanzminister Manmohan Singh Indiens Wirtschaft reformiert, und Niedermark stand mit seinem Optimismus nicht allein. „Das war eine schwere Fehleinschätzung“, sagt er heute.
Niedermark weitete schnell seinen Blick auf ganz Asien. 1998 wurde er Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des OAV und damit qua Amt auch Mitglied der Geschäftsführung des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (APA) in Berlin (der OAV ist neben BDI, DIHK und Träger der APA). Das war die Zeit, in der er sein Netzwerk in die asiatische und Verbandswelt ausbauen konnte, was ihm in den Folgejahren sehr nützlich sein sollte.
2003 folgte ein kurzer Abstecher ins operative Business eines Unternehmens. Für den Hamburger Heinrich Bauer Verlag war er in der Verlagsleitung hauptsächlich .für das China-Geschäft zuständig Doch schon zwei Jahre später landete er wieder in der Verbandswelt. Er wurde Chef der der deutschen Handelskammer in Südkoreas Hauptstadt Seoul. Dort musste er die Kammer nach einer schweren Krise erst einmal aufräumen. Es war sein erster Restrukturierungsjob, den er sehr gut meisterte. „Korea war sehr bereichernd, ein sehr innovatives Industrieland“, sagt er im Rückblick.
Dann folgten fast zehn Jahre BASF. Erst diente er dem damaligen Vorstandschef Jürgen Hambrecht als Sherpa während dessen Zeit als APA-Vorsitzender zwischen 2006 und 2010. Ab 2008 war er zudem Leiter des BASF-Büros in Berlin, um nicht das böse Wort vom Lobbyisten zu gebrauchen.
2016 ging es nochmals ins Ausland. Die AHK Hongkong brauchte einen Nachfolger für den ewigen Ekkehard Götting. Hongkong war – anders als Seoul damals – eine glänzend aufgestellte Delegation, aber auch reif für einen Kulturwandel, den Niedermark einleitete. Sein Vertrag dort wäre Ende 2020 ausgelaufen. Eine Verlängerung wäre sicher Formsache gewesen, wenn da nicht der BDI per Headhunter einen neuen Hauptgeschäftsführer gesucht hätte. Niedermark setzte sich gegen seine Mitbewerber durch, auch weil man ihn dort seit Jahrzehnten kennt und schätzt.
Und wie blickt er heute auf Asien? „China hat eine unfassbare Entwicklung genommen.“ Er betrachte aber das Land nur mit einem sachlichen Blick, nicht mit glänzenden Augen. Die Liebe zu Indien sei nicht erloschen. Aber sein Lieblingsland sei Myanmar. „Da hat man beides drin – China und Indien.“
Zum Schluss muss ich noch – weit weg von Asien – die Frage aller Fragen (auf-)klären: Wie kann jemand, der in Gelsenkirchen quasi in Flankennähe des alten Parkstadions aufgewachsen ist, Bayern-München-Fan sein? Niedermark weiß noch sehr genau, wann das vermeintlich Unverzeihliche passierte: Am 24. August 1974, erster Spieltag der neuen Saison. Es traten an: Offenbacher Kickers gegen Bayern München mit all seinen frisch gebackenen Weltmeistern – von Sepp Maier bis Gerd Müller. Ergebnis: Ein sensationelles 6:0 des Außenseiters vom Bieber Berg. Kübel von Häme wurde damals über die Bayern gegossen. Und dem kleinen Wolfgang, damals elf Jahre alt, taten die armen Bayern leid.
Von nun an ging er im roten Trikot in die Schule und nicht mehr in königsblau.