….von Maja Linnemann: Letzte Dinge – Tod und Bestattungskultur in China. Wenn ich durch Chinas Städte und Dörfer fuhr, fragte ich mich manchmal, wo sind denn eigentlich all die Toten, weil ich nirgendwo Friedhöfe sah. Jetzt endlich gibt es eine Antwort auf diese Frage. In Form eines Buches von Maja Linnemann. Ich frage die Bremer Sinologin, die 13 Jahre lang in Beijing lebte und mit einem Chinesen verheiratet ist, wie man auf dieses Thema kommt. Sie sagt gegenüber CHINAHIRN: „Friedhöfe haben mich schon immer interessiert. Bei Reisen – egal ob in Europa oder in den USA – ging ich auf Friedhöfe.“ In China war sie zum ersten Mal 2009 bei einer Beerdigung im Heimatdorf ihres Mannes in der Provinz Shanxi. Alle Trauergäste waren in weiß, Musik wurde gespielt, es wurde getanzt, riesige Papierfiguren wurden mitgeführt und anschließend verbrannt, und am Schluss machte jeder – ob jung oder alt – seinen Kotau. Sie filmte dieses für sie fremde Procedere und recherchierte weiter über den Tod in China. 2016 begann sie mit ihrem Buch, das demnächst erscheint. Hierin erfahre ich, wo die jährlich rund zehn Millionen toten Chinesen ihre Ruhe finden. Immer weniger auf Friedhöfen. Diese wurden nach 1949 aus den Städten an die Randlagen verbannt. Deshalb sieht man keine Friedhöfe in der Stadt. Dahinter stehen ökonomische Zwänge, denn Land in den Städten ist teuer. Aber der Trend geht auch in China zur Einäscherung. Er ist auch politisch gewollt, deshalb gibt es dafür auch finanzielle Anreize. Schon Mao hat 1956 seinen Landsleuten die Verbrennung empfohlen (was für ihn freilich nicht galt, Mao ruht im Mausoleum auf dem Platz des Himmlischen Friedens). So finden die meisten Trauerfeiern in den Krematorien statt. Der/die Tote liegt in einem Papiersarg, umrahmt von Blumen. Eine kurze Ansprache. Dann machen die Trauernden drei Runden um den Sarg und eine dreifache Verbeugung. Die Asche in der Urne wird anschließend verstreut (auch dafür gibt es vom Staat eine Prämie) oder in Urnengräber deponiert.
Ich hoffe, dass ich jetzt nicht zu viel verraten habe. Das Buch über den Tod in China hat noch viel ausführlichere Antworten auf folgende Fragen parat: Wie verabschiedet man sich von den Verstorbenen? Wie sehen die Bestattungsrituale in Städten und auf dem Land aus? Woher kommen die Bräuche und Rituale, die man dabei beobachten kann? Was geschieht Wie sehen die Orte der letzten Ruhe, sprich Friedhöfe, aus? Wer verdient mit dem Tod sein Geld und wie?
Man verzeihe mir den Kalauer, aber ich konnte einfach nicht widerstehen: Das Buch ist alles andere als todlangweilig.
Info:
Das Buch von Maja Linnemann ist im Drachenhaus-Verlag erschienen, hat rund 300 Seiten und kostet 24 Euro. Die zweite Neuerscheinung im Herbst-Programm des kleinen Verlags aus Esslingen ist von Kang Youwei: Die große Gemeinschaft. Eine Anleitung zum Weltfrieden, 250 Seiten, 29 Euro. Darin entwickelt der Philosoph und Reformer der 20er Jahre eine Utopie einer ‚großen Gemeinschaft‘, die in der Lage ist, die Grenzen von Nationen, Ethnien, Geschlechtern und Hierarchien zu überwinden.