ESSENSRESTaurant

Ganz früher bei meinen ersten Besuchen in Beijing, wo man selbst mitten im Zentrum noch viele kleine Restaurants fand, die für umgerechnet  drei, vier Mark mehrere tolle Gerichte und zwei Flaschen Yanjing Bier boten, wunderte ich mich über das Essverhalten an den Nebentischen. Die Herrschaften standen nach dem Bezahlen (damals noch mit Bargeld) auf und hinterließen einen Berg von Speisen. Ich fragte mich: Hat es denen nicht geschmeckt? Ich Nachkriegsdeutscher aß dagegen bis auf das fast letzte Reiskorn alles brav auf. 

    Als ich diese immer wieder sah, fragte ich meine chinesischen Bekannten, warum die das machen. Eine Antwort: „Das sind Taiwanesen, die wollen zeigen, dass sie was Besonderes sind.“ Na ja, so viele Taiwanesen waren damals in den 90er Jahren nicht in Beijing unterwegs. Es musste also noch andere Gründe geben. Der wichtigste war Protzen: Schaut her, was ich mir alles leisten kann. Dieses Verhalten hat sich in den vergangenen Jahren etwas geändert. Selbst das amerikanische Doggy Bag (Chinesisch: da bao) ist längst gang und gäbe. 

   Trotzdem wird immer noch viel zu viel Essen weggeschmissen. Die Chinesische Akademie der Wissenschaften und der WWF errechneten in einer Studie, dass jedes Jahr 17-18 Tonnen in den Mülltonnen landen. Damit könne man ein Volk von 30 bis 50 Millionen ernähren.

    Mitte August hat sich deshalb in dieser Sache wieder einmal Xi Jinping zu Wort gemeldet: Schockiert und erschüttert sei er, ließ er verlauten, und kündigte die „Operation leere Teller“ (guang pan xingdong) an. Gehorsam reagierten sogleich die untergeordneten Behörden. Städte und Provinzen gaben neue Regeln aus. In Wuhan hieß sie N-1, in der Provinz Liaoning N-2. N-1 bedeutet: Ein Gericht weniger bestellen als die Anzahl der Gäste, also bei zehn Gästen nur neun Gerichte. Übereifrige wie eine Restaurantkette in Changsha koppelte die Bestellung an das Gewicht des Gastes. Für die Dicken gab es nur Schmalkost. Und auch die populären – aus Südkorea stammenden – Mukbang Shows, wo das Ziel ist, möglichst viel in kurzer Zeit in sich hineinzustopfen, bekamen ihr Fett weg und wurden eingestellt.

    Warum gerade jetzt die Aktion leerer Teller? fragten sich viele besorgte Chinesen. Seit Lester Brown 1995 sein berühmtes Buch Who will feed China? veröffentlichte wird regelmäßig spekuliert, ob das bevölkerungsreiche Land auf eine Ernährungskatastrophe zusteuert. Das Landwirtschaftsministerium beschwichtigte gleich: Trotz Corona, trotz der Flutkatastrophen sei die Ernte für dieses Jahr gesichert.   

    Aber gilt das auch für die nächsten Jahre? 

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