Wenn sich jedes Jahr im November in Wuzhen – das liegt zwischen Hangzhou und Suzhou – führende Köpfe der chinesischen (und globalen) Internetwelt zur World Internet Conference zusammenfinden, ist stets auch ein grauhaariger Mann aus Deutschland mit dabei. Er tuschelt dann mit Alibaba-Chef Jack Ma – und viele Chinesen fragen sich: Wer ist dieser sportliche ältere Herr, der dort das Ohr des legendären Jack Ma und anderer chinesischer Internet-Größen findet. Der Mann heißt Werner Zorn. Man kann ihn ohne große Übertreibung als den Mann bezeichnen, der das Internet nach China brachte.
Ein Deutscher als Wegbereiter Chinas in die große weite Onlinewelt
Eine irre Story, die hierzulande kaum einer kennt. Deshalb sei sie hier erzählt:
Zorn studierte in den 60er Jahren an der TH Karlsruhe. Altmodisch hieß sein Fach damals Nachrichtentechnik. Er war danach wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut des legendären Informatiker Professor Karl Steinbuch, eher er im Dezember 1979 selbst Professor für Informatik in Karlsruhe wurde.
Schon früh kam Zorn mit China in Kontakt. 1983 bereits war er bei einem Symposium in Beijing einer der Referenten und bekam Kontakt zu den chinesischen Forschern. 1984 kam die erste Mail-Verbindung zwischen Karlsruhe und den USA zustande. Zorn und seine Leute sagten sich: Warum nicht auch eine Mail-Verbindung mit China herstellen? Die Chinesen zeigten großes Interesse. Groß waren freilich auch die Herausforderungen. Allein die Kommunikation war schwierig: Horrende Telefongebühren, Kontakt fast nur mit Telex. So dauerte es einige Jahre der Vorbereitung, bis sich Zorn und sein Team im September 1987 auf den Weg nach China machten, um die erste Email-Verbindung Chinas herzustellen.
Vor Ort gab es noch jede Menge Probleme. Tag und Nacht wurde gearbeitet. Zorn erinnert sich noch an die letzte Nacht des 14. September: „Wir hatten alles am Laufen – außer der Verbindung zur chinesischen Telekom.“ Frustriert reiste die Gruppe ab, Richtung Hongkong. In Beijing versuchten aber die Verbliebenen weiter, die Mail abzusetzen. Dann, am 20 September, klappte es. Um 23.55 Uhr dieses Tages wurde die allererste Email aus China versandt. Der Inhalt war kurz und sowohl auf Englisch als auch Deutsch: „Across the Great Wall we can reach every corner in the world” und “„Über die große Mauer erreichen wir alle Ecken der Welt“. Die Nachricht über die geglückte Mission erreichte Zorn und sein Team in Macao. „Wir konnten uns nur aus der Ferne freuen.“ Drei Jahre später meldete Zorn im Auftrag der chinesischen Behörden auch die Domain .cn zur Registrierung.
Der 77jährige Zorn kann also als der Pionier des chinesischen Internet tituliert werden. Entsprechend wird er in China geehrt und verehrt. Deshalb verwundert nicht, dass Zorn, der zwischen seinem Wohnsitz in Frankreich und dem Hasso-Plattner-Institut in Potsdam pendelt, gemeinsam mit Jack Ma das “High-level Advisory Council” der World Internet Conference in Wuzhen leitet.
Info:
Wer es genauer und technischer haben will, dem sei ein umfangreicher Artikel von Werner Zorn empfohlen: https://hpi.de/das-hpi/personen/professoren/emeriti/zorn/publikationen/wie-china-mit-den-internationalen-rechnernetzen-verbunden-wurde.html;
Ein Podcast mit Werner Zorn gibt es auch. In der Episode 17 der Reihe Neuland-Der HPI Wissenspodcast erzählt er, wie er das Internet nach China brachte: https://www.youtube.com/watch?v=Ys6RN4_Smcg