POLITIK I Die Linke und China

     Wie verhält sich eine Partei, deren Teile zumindest eine kommunistische Vergangenheit hat, zu einer Partei, die sich immer noch kommunistisch nennt und ein riesiges Land regiert? Kurz: Wie steht Die Linke zur KPCh, zur Volksrepublik China?

     Lange Zeit verdrängte die Partei das Thema. Der ehemalige außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion und Noch-MdB Stefan Liebig klagte schon 2017: „Das ist eine Leerstelle in der linken Debatte.“ Inzwischen ist aber der Diskurs über China auch bei den Linken in Gang gekommen. Zunächst bemühte sich Sarah Wagenknecht um den theoretischen Überbau: „Die Entwicklung in China hat mit Marx nichts zu tun. Das Regime nennt sich kommunistisch, aber das System ist ein staatlich gesteuerter Kapitalismus.“

       Aber was folgt daraus? China wie die andere kapitalistische Großmacht USA zu behandeln? Nun, das wiederum auch nicht. Zu emotional sind bei manchen noch die Bindungen an das sozialistische Lager, obwohl die DDR ja im Orbit der Sowjetunion war und nicht im maoistischen Lager. Vor allem bei Altvorderen wie Hans Modrow, dem letzten Regierungschef der DDR, kommen sozialistische Brudergefühle auf. Der inzwischen 92jährige Modrow lobte am 12. Mai in der Tageszeitung Neues Deutschland die KPCh: „Hunderte Millionen Menschen sind durch sie aus der Armut befreit worden, und die Partei will diesen Weg fortsetzen. Dieser Erfolg nötige ihm Hochachtung ab. Für Modrow, Mitglied der Internationalen Kommission der Partei, stellt sich wieder die Systemfrage, die aber nie weg gewesen wäre. „Sie wurde nur nicht mehr gestellt, seit der Sozialismus sowjetischer Prägung in Europa untergegangen war. Und in die propagandistische Ablehnung und Auseinandersetzung wurde der Sozialismus chinesischer Prägung im Westen gleich mit einbezogen.“

     Die Erwiderung auf Modrow kam prompt. Und zwar von Wulf Gallert, Landtagsabgeordneter in  Sachsen-Anhalt und ebenfalls Mitglied der Internationalen Kommission. Auch er konstatierte im Neues Deutschland eine Verbesserung der Lebenssituation in China, doch es folgte ein Aber: „All das ist für mich aber kein Grund, jede Kritik an der politischen Situation in China zu vergessen.” Die Linken in Deutschland stünden für liberale Grundrechte, gegen Medienmonopole, für Datenschutz, für politische Rechte der Opposition, für Trennung von Justiz und Exekutive. “Für all dies ist im politischen System Chinas kein Platz”. Er warnte davor, einen unkritischen Blick zu entwickeln, „weil Konservative und Neoliberale gerade das Feindbild China aufbauen“.

    Die Modrow-Gallert-Kontroverse zeigt das Spannungsfeld der China-Diskussion innerhalb der Linken. Anders als in den anderen Parteien, wo die Trennungslinie meist zwischen Wirtschafts- und Menschenrechtsvertretern verläuft, ist hier zwischen Idealisten/Ideologen und Realisten. Zu letzteren zählt Gregor Gysi, seit kurzem außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion (siehe das folgende Interview). Seine Position ist sicher Mehrheitsmeinung – sowohl in der Partei als auch in der Fraktion. Und auch das unterscheidet Die Linke von den anderen Parteien. Undifferenziertes China-Bashing

ist nicht mehrheitsfähig.

    Vom 30. Oktober bis 1. November wird Die Linke ihren Parteitag in Erfurt abhalten. China wird dort aber sicher kein Thema sein. Im Leitantrag des Parteivorstandes zum Parteitag dominiert eindeutig die Innenpolitik. China taucht nur einmal kurz im Zusammenhang mit der Kritik an der Trumpschen Außenpolitik auf: „US-Präsident Trump hat den Kampf um wirtschaftliche Interessen eskaliert. Er verfolgt eine verheerende imperiale Außenpolitik. Gegen China und Russland führt er Wirtschaftskriege. Angesichts von zunehmenden geopolitischen Rivalitäten und Wirtschaftskriegen setzen wir auf Entspannungspolitik und gerechte Weltwirtschaftsstrukturen und Zusammenarbeit auf Augenhöhe.“

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