CHINESISCHE GESCHICHTE(N) I Die deutsch-chinesischen Beziehungen zwischen 1928 und 1938

Mitte Dezember 1927 kam der Deutsche Max Bauer nach einer mehrwöchigen Schiffsreise im damaligen Kanton an. Weil dort gerade Unruhen herrschten, konnte er erst Tage später nach Shanghai weiterreisen. Dort traf er am 28. Dezember in seinem Hotel mit Chiang Kai-shek zusammen, damals als Führer der Guomindang der starke Mann Chinas.  Weil die beiden sich offenbar gleich gut verstanden, engagierte Chiang den Deutschen als seinen persönlichen Berater. Max Bauer war der erste deutsche Militär, der sich in die Dienste der damals herrschenden Regierung der Guomindang gestellt hatte. Weitere deutsche Militärs sollten ihm in den nächsten zehn Jahren folgen. Die Jahre zwischen 1928 und 1938 waren Jahre eines intensiven Austausches zwischen Guomindang-China und dem Nazi-Deutschland.

Weil diese Beziehungen hierzulande bislang wenig beleuchtet wurden, hat Helmut Janus diesen zehn Jahren ein ganzes Buch gewidmet. Janus, der in den 1970er Jahren einer der ersten deutschen Wirtschaftsberater in China war, schreibt: „Dieses Jahrzehnt erlebte einen vehementen Aufschwung der politischen, militärischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Deutschland.“ Es war vor allem ein Jahrzehnt der militärischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und Deutschland. Als erster deutscher Militärberater wurde im Dezember 1928 Max Bauer ernannt. „Damit begann offiziell die deutsche Militärmission“. Bauers Ziel war in eigenen Worten „die völlige militärische, wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit Chinas vom Ausland.“ Doch bereits im Mai 1929 starb Bauer. Als Nachfolger schlug er kurz vor seinem Tode Hermann Kiebel vor, doch dieser wurde bereits im Mai 1930 entlassen. Sein Nachfolger wurde Georg Wetzell, der als Rechthaber galt und ein gestörtes Verhältnis zu Chiang hatte. Deshalb suchte Chiang schnell einen Nachfolger und fand ihn in Hans von Seeckt, der im April 1934 mit 29 deutschen Offizieren in Shanghai eintraf. Aber auch von Seeckt blieb nicht lange. Aus gesundheitlichen Gründen reiste er im März 1935 zurück nach Deutschland. Sein Nachfolger wurde dann Alexander von Falkenhausen, der bis 1938 in dieser Position blieb. Falkenhausen hatte im Gegensatz zu seinen Vorgängern Asien-Erfahrung und war kein strammer Rechtsaußen wie diese.

Parallel zu diesen militärischen Beziehungen entwickelten sich die wirtschaftlichen. Im Reichsverband der Deutschen Industrie wurde ein China-Komitee gegründet, eine China-Studienkommission des Verbands reiste Mitte 1930 in 15 chinesische Städte. Der legendäre Schwerindustrielle Otto Wolff reiste allein zwischen 1933 und 1935 zwölfmal nach China. Der I.G. Farben-Chef Max Ilgner war dort, ebenso Bayer-Chef Carl Duisberg. Deutschland lieferte vor allem Rüstungsgüter und bekam dafür Rohstoffe, vor allem Wolfram. 1937 war Deutschland knapp hinter den USA zweitwichtigster Handelspartner Chinas. Doch dann kam es zur Wende. Als Anfang Juli 1937 nach dem „Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke“ der japanisch-chinesische Krieg ausbrach, musste sich Deutschland positionieren. Das Auswärtige Amt bestand zunächst auf strikter Neutralität. Aber in der NSDAP gab es eine starke Japan-Fraktion“, schreibt Janus. Wichtigste und entscheidende Person war Joachim von Ribbentrop, der zwar Botschafter in London war, aber von dort schon ein deutsch-japanisches Bündnis schmieden wollte. 1938 wurde er Außenminister. „Damit war die China-Lobby im Auswärtigen Amt kaltgestellt“, schreibt Janus. Für ihn war Ribbentrop „die Person, die entscheidend den Bruch mit China zu verantworten hat“. Im Juni 1938 forderte Ribbentrop die deutschen Berater ultimativ auf, sofort aus China abzureisen. Am 5. Juli verließen Falkenhausen und die letzten verbliebenen Berater mit einem Sonderzug von Hankou nach Hongkong das Land.

Info:

Helmut Janus: Das Jahrzehnt der deutsch-chinesischen Beziehungen 1928-1938, 176 Seiten, 11,90 Euro.

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