HU IS HU I Karin Betz, eine der großen deutschen Übersetzerinnen

Die Übersetzerin Karin Betz tourt derzeit durch Hongkong und Taiwan. Ich erreiche sie noch kurz vor ihrer Abreise. Sie sagte, sie habe nur eine halbe Stunde Zeit. Es wurden dann 45 Minuten. Eigentlich wollte ich schon lange ein Porträt über Karin Betz schreiben, eine der besten deutschen Übersetzerinnen chinesischer Literatur. Doch ich verschob es immer wieder, bis ich am 28. Oktober eine Rezension in der FAZ las, in der der Sinologe Wolfgang Kubin ein Loblied auf Karin Betz sang und sie in die Reihe berühmter deutscher Übersetzer stellte.

In diesen meist prekären Beruf gelangte Betz erst, als sie schon 40 Jahre alt war. Davor erprobte sich die gebürtige Hanauerin in verschiedenen Bereichen. Sie studierte Sinologie, Germanistik und Philosophie in Frankfurt und Chengdu. Sie hatte früh eine Neigung zum Journalismus. So schrieb sie für den Hanauer Anzeiger und die Frankfurter Rundschau.  „Mein Fernziel war Auslandskorrespondentin, am liebsten in China“, erzählt sie. Doch irgendwie sei sie dann davon abgekommen. Sie ging erstmal mit einem japanischen Regierungsprogramm drei Jahre nach Japan, war dort Koordinatorin für Internationale Beziehungen und gab Sprachunterricht und professionalisierte nebenbei ihr Japanisch (eine von sieben Sprachen, die sie inzwischen spricht). Zurück in Deutschland arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni, dann fünf Jahre beim Mischkonzern Freudenberg in Weinheim. Es war eine gute Zeit, sagt sie, denn sie bekam ein ordentliches Gehalt, reiste viel und konnte ihr interkulturelles Wissen im Global Business vertiefen. „Aber irgendwann wurde es langweilig“ – und sie kündigte. Sie versuchte eine Promotion, arbeitete wieder als wissenschaftliche Mitarbeiterin, wurde zwischendurch wegen der Stellenbefristungen arbeitslos.

Und dann kam eine Anfrage, die ihr Leben verändern sollte. Der Suhrkamp-Lektor Benjamin Specht fragte sie Ende 2008 an, ob sie einen chinesischen Roman übersetzen wolle. 2009 war China Gastland auf der Frankfurter Buchmesse. Deshalb wurden im Vorfeld der Messe händeringend Übersetzer gesucht. Sie weigerte sich zunächst, denn Übersetzerin wollte sie eigentlich nicht werden, obwohl sie immer wieder kleinere Übersetzungen veröffentlicht hatte. Aber dann ließ sie sich doch überreden und übersetzte den Roman: Es war „Die Sandelholzstrafe“ von Mo Yan. Er erschien 2009 im Insel-Verlag, der zu Suhrkamp gehört. Aber Suhrkamp wollte – welche Fehleinschätzung – den späteren Nobelpreisträger (2012) nicht weiter verlegen. Betz: „Ich verlor einen großen Autor, den ich eben erst gewonnen hatte und dessen Werk ich bis heute schätze.“ Aber Karin Betz blieb durch die Übersetzung von Mo Yan im Geschäft. Sie übersetzte unter anderem die China-kritischen Werke des Exil-Autors Liao Yiwu (S. Fischer) und des Friedensnobelpreisträgers und Regimegegners Liu Xiaobo, aber auch den Wuxia-Romanautor Jin Yong, die Avantgarde-Autorin Can Xue, den Sciene-Fiction-Autor Liu Cixin und die Hongkonger Schriftstellerin Xi Xi.  

Zuletzt erschien in ihrer Übersetzung „Schwanentage“ von Zhang Yueran, mit der sie im Herbst rund um die Frankfurter Buchmesse auf Lesereise ging. Aktuell arbeitet sie an der Übersetzung des Romans „Taiwan Travelogue“ der taiwanesischen Autorin Yang Shang-zi, die sie übrigens auf ihrer derzeitigen Taiwan-Reise trifft und mit der sie beim Taiwan Writers Festival auftritt. Überhaupt Taiwan: „Von dort kommen derzeit interessante Angebote“, sagt Betz. Die Themenbreite sei dort breiter als in der Volksrepublik. Zudem habe Taiwan eine sehr gute Übersetzungsförderung, während die   Autoren der VR international nicht stark gefördert würden, was sie bedauert. Und Festland-Literatur hat hierzulande nicht gerade Konjunktur. Deutsche Verlage haben gewisse Berührungsängste. So habe Ecco – der Verlag, der Zhang Yuerans Buch hier verlegte – Betz zuerst gefragt, wie sie die Autorin politisch einschätze. Betz sagt. „Man muss aber jeden Autor nach seiner Literatur beurteilen. Autoren, die sich vor einen nationalpolitischen Karren spannen lassen, schreiben Propaganda.“ Sie sagt, dass es auch in der Volksrepublik viele gute Autoren gebe, die sich nicht von irgendwelchen roten Linien abschrecken lassen. Aber vielen fehle der Umgang mit dem Ausland. Für sie ist nicht wichtig, ob der Autor oder die Autorin aus Taiwan, Hongkong oder der Volksrepublik komme. Ihre Maxime lautet: „Ich übersetze, was mir Spaß macht.“

Das Übersetzen aus dem Chinesischen betrachtet Betz, die auch aus dem Englischen übersetzt, als anspruchsvoll. Die chinesische Sprache, die keine Zeiten und keine Deklinationen kennt, ist sehr interpretationsfähig. Sie sieht ihre Übersetzerrolle so: „Wir übersetzen nicht Worte oder Sätze, sondern Bedeutung und Stil“. Die Arbeit sei aber „auf Dauer deshalb aufreibend, weil sie nicht angemessen bezahlt wird“. Nur durch Stipendien und Querfinanzierung durch andere Jobs könne man von dieser anspruchsvollen Tätigkeit leben.  In einem Interview sagte die mehrfach ausgezeichnete Übersetzerin einmal. „Wir sind Profis, die Vergütung unserer Arbeit entspricht aber der von ungelernten Hilfsarbeiterinnen.“ Sie kämpft deshalb auch für ihre Zunft, unterstützt die Kampagne „Name the Translator“, die die Namensnennung der Übersetzer*innen auf dem Buchcover fordert. Das sei in vielen Ländern ganz normal, sagt sie, in Deutschland hingegen eher selten. In ihrem jüngsten Buch „Schwanentage“ blieb sie auf dem Cover unerwähnt.  

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