Björn Heerdegen ist ein erfahrener Bahnexperte. Fast 23 Jahre lang arbeitete der Maschinenbau-Ingenieur für die Deutsche Bahn. Zuletzt war er für das Unternehmen in China tätig, ehe er dort zu dem Bahnzulieferer Vossloh wechselte. Inzwischen ist Heerdegen wieder zurück in Deutschland und hat in Berlin das Unternehmen Eurasia Rail Consult gegründet.
Kürzlich habe ich mit einem chinesischen Freund telefoniert. Er spricht sehr gut Deutsch und Englisch, hat Anfang der 2000er bei uns Ingenieurwesen studiert, kennt sich hier aus und hat hier alte Freunde sowie Geschäftspartner.. Anfang nächsten Jahres will er für ein paar Urlaubstage herkommen – Freunde besuchen und Geschäftspartner treffen. Wie also reist er ein? Natürlich über Paris. Nicht, weil es so reizvoll wäre, sondern weil ein Schengen-Visum für Chinesen in Frankreich leicht zu erhalten ist. Während es offensichtlich selbst für jemanden mit Deutsch- und Englischkenntnissen unmöglich erscheint, sich durch die ablehnende deutsche Bürokratie zu arbeiten. Er sagt mir ganz trocken: „95 Prozent der Chinesen reisen so ein. Über Frankreich.“
Ich höre das nicht zum ersten Mal – andere chinesische Bekannte erzählen dasselbe. Mal geht’s über das französische, mal über das österreichische oder das portugiesische Konsulat. Hauptsache nicht Deutschland, weil unsere Konsulate in China von kafkaesken Mauern umgeben scheinen. Das Ergebnis: Der erste Kaffee wird in Paris getrunken, das Auto am Wiener Flughafen gemietet und die Gucci-Tasche wird nicht am Kudamm gekauft. Das spontane Geschäfts-Meeting in München muss monatelang geplant werden.
Seit Ende 2023 reisen wir Deutschen visumfrei für 30 Tage nach China ein. Man braucht einen Pass und ein Flugticket. Gleichzeitig zwingen wir die Leute, die als Touristen oder Geschäftsleute zu uns kommen wollen, zur Einreise über Nachbarländer. Das ist weder Geopolitik noch Wirtschaftsstrategie.
Das ist schlicht grandios dumm.