Der Altmeister der deutschen Sinologie, Wolfgang Kubin, hat in letzter Zeit nur noch selten Rezensionen für die FAZ geschrieben. Aber vor kurzem, am 28. Oktober, tat er es wieder. Eigenwillig wie er ist, in einer ungewöhnlichen Weise. Er pries nicht Chi Zijian, die chinesische Autorin des Buches „Das letzte Viertel des Mondes“, sondern dessen deutsche Übersetzerin Karin Betz. Normalerweise werden die Übersetzerinnen und Übersetzer in einer Rezension – wenn überhaupt – mit einem stereotypen Satz abgespeist. Doch Wolfgang Kubin widmete Karin Betz einen ganzen Abschnitt, und zwar den letzten. Doch bevor ich auf diese Lobeshymne eingehe, kurz ein paar Worte zur Autorin und deren Werk. Das Buch der 1964 geborenen Chi wurde schon vor 20 Jahren in China veröffentlich, 2013 dann ins Englische und 2017 ins Französische übersetzt. Und nun erschien es im Blessing Verlag auch in deutscher Sprache. Das 415-Seiten-Werk spielt an der russisch-chinesischen Grenze, wo in einem Seitental des Grenzflusses Amur das kleine Volk der Ewenken lebt. Aus der Sicht einer 90jährigen Witwe des letzten Häuptlings der Ewenken erzählt sie die Geschichte dieser Nomaden in einer unwirtlichen Ecke. Kubin fragt sich, ob dies ein Roman ist oder eher eine Dokumentation und entscheidet sich für Letzteres. „Ob Roman oder Dokumentation – die Übersetzung ist sensationell“, lautet der erste Satz im letzten Kapitel, mit dem er die Eloge auf Karin Betz ansetzt. Ihr sei ein Wunder gelungen. Er reiht sie ein in die Riege der legendären deutschen Übersetzer wie Franz Kuhn (1884-1961), Ulrich Kautz (1939-2020) und Marc Hermann (geboren 1970). Was ihn begeistert hat: „Karin Betz hatte den Mut zur Verfremdung. Alle Namen und Begriffe sind ewankisch, russisch, chinesisch oder europäisch, ohne aber je erklärt zu werden. Deren Verständnis ergibt sich im Laufe der Lektüre.“ Er schließt mit den Worten: Dank sei Karin Betz und dem mutigen Verlag, der solches erlaubt!“ Die Reaktion der Übersetzerin fiel kurz aus: „Bin baff“ schrieb sie noch am Tag des Erscheinens der Rezension auf Linkedin. Ich werde die so hochgelobte Übersetzerin in einer der nächsten Ausgaben porträtieren.
Info:
Hier die Rezension von Wolfgang Kubin in der FAZ: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/literatur/chi-zijians-das-letzte-viertel-des-mondes-110751163.html