ESSEN I Wie die Sichuan-Küche in die Welt kam

Im Westen sind die beiden berühmtesten chinesischen Küchen die aus Kanton und aus Sichuan. Warum die kantonesischen  Gerichte weltweit in vielen China-Restaurants dominieren, lässt sich leicht erklären. Die Kantonesen (und auch die Einwohner aus der benachbarten Provinz Fujian) gehörten zu den ersten chinesischen Auswanderern, die zunächst nach Südostasien, später in fast alle Welt emigrierten. Die rund 70 Millionen umfassende Gemeinschaft der Chinese Overseas wird überwiegend von ehemaligen Einwohnern der beiden Provinzen Guangdong (Kanton) und Fujian dominiert.

Aber wie kam die Sichuan-Küche in die Welt? Sichuan liegt – anders als die beiden oben genannten Küstenprovinzen – tief im Westen des Landes, abgeschnitten vom Rest des Reiches. So war die Küche Sichuans lange Zeit auch im restlichen China selten in irgendwelchen Restaurants zu finden. Selbst in Beijing gab es vor 100 Jahren nur wenige Sichuan-Restaurants, schreibt der Food-Historiker Zhou Songfang in seinem Artikel „Inside the Rise and Popularity of Sichuan Cuisine“, der im Online-Magazin Sixth Tone erschienen ist. Einzige Ausnahme sei Shanghai gewesen. Als Handelsstadt habe Shanghai immer Kontakte zu anderen Regionen gepflegt, erklärt Zhou. Die Sichuan-Restaurants in Shanghai waren allerdings eher edel und hochpreisig positioniert. Sie waren beliebter Treffpunkt von Politikern und Künstlern. Allerdings hatte die Küche nicht die gewohnte Sichuan-Schärfe.  

Das alles änderte sich 1937. Damals begann der Krieg mit den Japanern. Chinas Hauptstadt wurde von Nanjing nach Chongqing verlagert. Diese Stadt – heute neben Beijing, Shanghai und Tianjin eine sogenannte regierungsunmittelbare Stadt – liegt in Sichuan und gilt als Hochburg der scharfen Küche, wo Chilis zu den Grundnahrungsmitteln gehören. (Ich habe nirgendwo einen schärferen Feuertopf gegessen als in Chongqing). Viele Chinesen aus dem Osten und der Mitte zogen sich während des Krieges in die Gegend um die temporäre Hauptstadt Chongqing zurück. Nach Ende des Krieges kehrten sie wieder in ihre alte Heimat zurück – und brachten die Rezepte der Sichuan-Küche mit, die sich dann an der Küste und in weiteren Regionen Chinas verbreitete.
Aber auch schon während des Krieges flohen Chinesen vor allem aus Shanghai nach Hongkong und brachten die Sichuan-Küche mit. Schon 1941 titelten die Hong Kong Commercial News: “Hong Kong Tastes Have Changed: Sichuanese Food Is the Most Fashionable Chinese Cuisine.” Von Hongkong aus trat die Sichuan-Küche ihren Siegeszug durch die Welt an.

Info:

Hier geht es zum Artikel von Zhou Songfang in Sixth Tone:  https://www.sixthtone.com/news/1017708

Wer mehr über die Sichuan-Küche erfahren will, dem empfehle ich das Buch meiner Lieblingsautorin Fuchsia Dunlop: The Food of Sichuan, Bloomsbury, 495 Seiten, 28,99 Euro.

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