Wenn in der CBA – der Basketball-Liga Chinas – die Shanxi Loongs oder die Liaoning Flying Leopards in den Metropolen Beijing oder Shanghai antreten, ist es meist die Regel, dass die Gastmannschaften stärker angefeuert werden als die Heimteams. Auf den Tribünen sitzen nämlich oft mehr Anhänger des Gästeteams, die sich lautstark bemerkbar machen. Diese Fans sind aber nicht mitgereist, sie leben in Beijing oder Shanghai. Sie sind Migranten, die aus den Provinzen der Gästeteams stammen. Sie sind Gegenstand eines interessanten Phänomens, das der junge Soziologe Wang Yuchen (National Technology University in Singapore) in seinem ThinkChina-Artikel „From Beijing to Shanghai: How China´s invisible migrants claim space through sports” untersucht hat. Er schreibt: “For many immigrants it is more than an expression of fandom, it is an assertion of cultural roots.” Sportstadien und -hallen würden in China zunehmend zu einem Ort, wo sich Identitäten zeigten, wie aber auch eine Form des Protests. Wang Yuchen: „Sports participation serves as a meaningful outlet to express their dissatisfaction and resistence.” Die Migranten, die seit Jahren vom Land in die chinesischen Städte übersiedeln, fühlen sich dort häufig als Bürger zweiter Klasse. Das hukou-System trägt entscheidend zu dieser Diskriminierung bei, denn es verwehrt diesen Bürgern die wichtige Teilnahme am sozialen Leben. Dieser Frust drückt sich in der sportlichen Unterstützung von Teams aus der ehemaligen Heimat aus. Wenn dann Basketball-Teams wie die Shanxi Loongs oder die Liaoning Flying Leopards, die aus eher ärmeren Regionen stammen, auch noch sportlich erfolgreich sind, trägt dies besonders zum Stolz der Migranten bei. Dieses Phänomen, sich via Sport zu seinen Wurzeln zu bekennen, zeigt sich auch beim Fußball. Zum Beispiel in Shanghai. Dort spielen zwei Teams in der höchsten Liga: Shanghai Shenhua und Shanghai Port. Shanghai Shenhua ist das traditionelle Team. Seine Fans sind alteingesessene Shanghaier. Sie verkörpern das „Old Shanghai“. Shanghai Port hingegen ist das neue Team, das oft von jungen Migranten unterstützt wird, von denen es viele in die Mittelklasse geschafft haben. Entsprechend ruppig sind die Lokalderbys – auf dem Platz, aber auch auf der Tribüne.
Info:
Hier der Artikel in ThinkChina: https://www.thinkchina.sg/society/beijing-shanghai-how-chinas-invisible-migrants-claim-space-through-sports