Ich hatte mal die Ehre, den Starbucks-Gründer Howard Schultz zu einem Interview zu treffen. Es war im Frühjahr 2001, als ich ihm im Headquarter der Kaffeekette in Seattle gegenübersaß. Er war nett, umgänglich und visionär. Damals hatte Starbucks rund 5000 Filialen, die meisten davon in den USA. Aber er sagte damals, er plane weltweit 25 000 Filialen, darunter auch einige tausend in China. Ich dachte: Lass ihn mal träumen, er ist halt ein typischer Amerikaner mit leichtem Hang zum Größenwahn. Doch was ist eingetreten? Starbucks entwickelte sich zur größten Kaffeekette der Welt mit über 40 000 Filialen, davon 8000 in China. Dort – im traditionellen Teeland – haben Schultz und seine Mitstreiter es geschafft, Kaffee als das andere Heißgetränk zu etablieren. Eine phänomenale Leistung. Respekt. Starbucks machte von Anfang an keine Kompromisse in China. Dieselbe Einrichtung wie überall, dieselben Preise und beste Locations. So schaffte es Starbucks sogar in die Verbotene Stadt. In den Anfangsjahren waren die Starbucks-Filialen der Treffpunkt für die schicken, jungen Chinesen. Starbucks war das Erfolgsmodell, wie man den gigantischen chinesischen Konsummarkt erobert.
Jetzt hat Starbucks die Mehrheit an seinem China-Geschäft verkauft. Für vier Milliarden Dollar übernahm die chinesische Private-Equity-Firma Boyu 60 Prozent an der chinesischen Starbucks-Tochter. 40 Prozent bleiben bei Starbucks, ebenso die Namensrechte. Warum der Verkauf? Starbucks Anteil am chinesischen Markt ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken: Betrug der Marktanteil 2019 noch 34 Prozent, so lag er 2024 nur noch bei 14 Prozent. Mit einem chinesischen Partner soll nun dieser Negativ-Trend gestoppt werden. Starbucks CEO Brian Niccol erklärt: „The partnership with Boyu is designed to marry Starbuck’s global brand and coffee expertise with Boyu’s deep local market insight.” Mit Boyus Hilfe und Ortskenntnissen soll Starbucks wachsen – von derzeit 8000 auf 20 000 Filialen. Das Wachstum soll vor allem in kleineren Städten stattfinden.
Doch nicht nur dort trifft Starbucks auf drei große chinesische Rivalen, die in den vergangenen Jahren in einem atemberaubenden Tempo gewachsen sind: Luckin Coffee mit knapp 30 000 Filialen, Cotti Coffee mit etwas mehr als 15 000 Filialen und der Newcomer Lucky Cup mit rund 10 000 Filialen. Wie rasant diese Ketten wachsen, zeigt sich daran, wie viele Filialen diese drei Ketten allein in einem Monat – im Oktober – eröffnet haben: Lucky Cup über 1100, Luckin 905 und Cotti 593.
Alle drei Ketten sind erst vor wenigen Jahren gegründet worden: Lucky Cup 2017, Luckin ebenfalls 2017, Cotti Coffee erst 2022. Die Cotti-Gründer sind übrigens ehemalige Luckin-Top-Manager. Alle drei chinesischen Ketten fahren im Gegensatz zu Starbucks eine Niedrigpreis-Strategie. Am aggressivsten ist Lucky Cup, die zum Mixue-Konzern gehört. Dessen Preise für einen Kaffee liegen bei 6 bis 8 Yuan (weniger als 1 Euro). Cottin machte sich einen Namen mit seinen 9,9-Yuan-Preisen. Luckin Coffee liegt mit seinen Preisen darüber.
Alle Café-Ketten – egal, ob hoch- oder niedrigpreisig – wollen weiter expandieren. Die Frage ist nur: Wie lange hält der Kaffee-Boom in China an? Stößt er nicht irgendwann an seine Sättigungsgrenze?