POLITIK I Ohne Chinas Seltene Erden keine Aufrüstung in Europa (und den USA)

In Deutschland und Europa wird massiv aufgerüstet. Fast alle Staaten haben gewaltige Rüstungsprogramme aufgelegt, schließlich wollen sie ja das NATO-Ziel von fünf Prozent erreichen. So hoch soll bis spätestens 2035 der Anteil des Militärhaushalts am Sozialprodukt der Länder sein. Die Rüstungsfirmen platzen vor Aufträgen. Ihre Aktienkurse schnallen nach oben. Also alles bestens?

Nicht ganz. Abgesehen davon, dass vielerorts die Fachkräfte für die vielen neuen Waffenfabriken fehlen, sondern auch die nötigen Rohstoffe, vor allem Seltene Erden. Diese sind für viele militärische Produkte existenziell notwendig. So stecken zum Beispiel nach Berechnungen des amerianischen Thinktanks CSIS in einem F-35-Kampfflugzeug rund 900 Pfund Seltene Erden, in einem Zerstörer der DDG-51-Klasse rund 5200 Pfund und in einem U-Boot der Virginia-Klasse rund 9200 Pfund. Aber es sind nicht nur Flugzeuge und Schiffe, die Seltene Erden benötigen. „Every Tank, missile or drone depends on raw materials few people outside the defence industry would name”, heisst es in einem Politico-Artikel, “they power radar arrays, electronic motors, missile guidance fins, thermal sights, drone propulsion- the guts of modern warfare.” Welche Rohstoffe für das Militär wichtig sind, hat die Nato im Dezember 2024 veröffentlicht. Damals gab sie eine Liste der „12 defence critical raw materials“ bekannt. Unter den zwölf sind natürlich auch Seltene Erden wie zum Beispiel Gallium, Germanium und – ganz wichtig – Neodymium.

Das Problem ist, dass bei diesen Seltenen Erden China ein globales Fast-Monopol hat. Zwar stammen „nur“ knapp 70 Prozent der Seltenen Erden aus chinesischem Boden, aber 85 Prozent der leichten und 100 Prozent der schweren Seltenen Erden werden in China verarbeitet und veredelt.  Und China nutzt diese Rohstoffe zunehmend als Waffe im Handelskrieg mit den USA (und dem Westen) ein. Schon im Frühjahr beschränkte China vorübergehend den Export von gewissen Seltenen Erden. Doch das war noch milde gegenüber dem, was am 9. Oktober vom chinesischen Handelsministerium (Mofcom) verkündet wurde. Danach gibt es Exporte von Seltenen Erden nur noch nach Genehmigung.  Und solche, die für militärische Zwecke benutzt werden „will in principle…not be approved“, so die Übersetzung des entsprechenden Artikels des Mofcom. Ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums begründet diesen Schritt so: China wolle „better safeguard national security and interests and better fulfill its international obligations including non-profileration.“ Was diese restriktive Handhabe allerdings für die westliche Rüstungsindustrie bedeutet, hat schon vor dem 9. Oktober Jakob Kullik, Experte für Seltene Erden an der TU Chemnitz, gegenüber Politico erklärt: „If Chinas-sourced materials suddenly fall away, that could stop our defense industrial plans in their tracks.“ Jacob Gunter (Merics) kommentiert die chinesischen Beschränkungen vom 9. Oktober so: “The measures could seriously undermine key defence production that is necessary for Europe´s rearmament.”  Aber auch in den USA läuten die Alarmglocken, vor allem im Pentagon. Gracelin Baskarin (CSIS) schreibt: “The newly announced restrictions represent China’s most consequential measures to date targeting the defense sector.”  Alicia García-Herrero, Ökonomin und China-Expertin bei der Investmentbank Natixis in Hongkong, wird konkreter: “Up to 30 percent of US pentagon initiatives, including F-35 avionics, could face delay.”

In Politik und Wirtschaft wird nun gerätselt, wie diese Export-Beschränkungen von Seltenen Erden, die zum 1. Dezember in Kraft treten sollen, zu bewerten sind. Sind sie „nur“ ein taktisches Mittel, um die USA in den laufenden Handelsgesprächen unter Druck zu setzen.  Oder steckt dahinter die strategische Absicht, die westliche Verteidigungsindustrie zu schwächen und damit die geplante Aufrüstung zu verzögern.

Aber egal, was die Absichten der Chinesen sind: die USA und die EU müssen das Problem der Seltenen Erden viel schneller und konsequenter angehen. Die USA sind da schon ein Stück weiter. Dort gibt es einen Defense Production Act, der den heimischen Abbau von notwendigen Rohstoffen co-finanzieren soll. Außerdem soll die Defense Logistics Agency eine nationale Reserve anlegen. In Deutschland verwaltet die KfW einen Rohstofffonds, der eine Milliarde Euro umfasst. Mit ihm sollen Projekte bezuschusst werden, die durch Abbau oder Recycling die Abhängigkeit bei Seltenen Erden verringern. 44 Anträge sollen bereits gestellt worden sein. Genehmigt wurde noch keiner. German Speed!

Info:

Hier die Nato-Liste der zwölf existenziellen Rohstoffe: https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_231765.htm

Hier die Einzelheiten des Beschlusses vom 9. Oktober: https://www.geopolitechs.org/p/chinas-new-restriction-on-rare-earths

Der  Politico-Artikel vom 18. August: https://www.politico.eu/article/china-paralyze-germanys-defense-friedrich-merz-critical-minerals/

Der Kommentar von Gracelin Baskarin (CSIS): https://www.csis.org/analysis/chinas-new-rare-earth-and-magnet-restrictions-threaten-us-defense-supply-chains

Und hier ein Merics-Artikel zur Problematik:

https://merics.org/en/comment/chinas-export-controls-hit-eu-rearmament-open-strategic-window

No Comments Yet

Comments are closed