SPORT I Der Snooker-Boom

Wu Yiren ist fünf Jahre alt und gerade mal 117 Zentimeter groß. Er muss sich auf einen Schemel stellen, um den Snooker-Tisch zu erreichen. Aber trotzdem spielt er bereits diesen Billard-ähnlichen Sport. Im April hat der Fünfjährige als jüngster Teilnehmer an einem Wettbewerb in Tianjin teilgenommen.

Yao Dongyu ist neun Jahre alt und schon größer als Wu Yiren. Er trainiert jeden Tag sieben bis acht Stunden an der CBSA World Snooker Academy in Beijing. Er hat einen privaten Lehrer. Die Trainerkosten ergeben aufs Jahr gerechnet locker eine sechsstellige Yuan-Summe. Yaos Vater ist im Finanzbereich tätig. Er kann es sich leisten. Er sagt gegenüber ThinkChina, der englischen Online-Version der singapurianischen Zeitung Lianhe Zaobao, eine Snooker-Ausbildung sei immer noch billiger als die eines Golfers oder Reiters. Viele Eltern investieren in die Snooker-Ausbildung ihrer Kinder, in der Hoffnung, dass sich das irgendwann mal im wahrsten Sinne des Wortes auszahlt.

Vorbild ist ein gewisser Zhao Xintang. Der 28jährige gewann im April dieses Jahres im Crucible Theatre im englischen Sheffield die Weltmeisterschaft im Snooker und kassierte dafür ein Preisgeld von 500 000 britischen Pfund. Sein Auftreten in Sheffield verfolgten im chinesischen Fernsehen über 150 Millionen Zuschauer. Das Finale lief im chinesischen Sportsender CCTV 5. Auf den sozialen Kanälen wie Weibo, Douyin oder WeChat gab es über 1,5 Milliarden Impressionen. Viele, vor allem junge Chinesen, sehen in ihm ein Symbol für Talent, Fleiß und Aufstieg. Er begann mit acht Jahren das Snooker-Spiel, verließ mit 12 Jahren die Schule, um sich ausschließlich auf diesen Sport zu konzentrieren. Mit 19 Jahren wurde er Profi und nun mit 28 Jahren Weltmeister, übrigens als erster Asiate. In schwarzem Anzug und mit Fliege und umhüllt von einer chinesischen Flagge zeigte er sich in Sheffield dem Publikum. Viele Chinesen sehen in ihm das Sinnbild für das moderne, selbstbewusste China.

Und sein Titelgewinn ist auch der Beweis dafür, dass Snooker in China längst keine Randsportart mehr ist. Die World Snooker Tour (WST), der Weltdachverband der Snooker-Spieler, betrachtet China als zweite Heimat des Snookers – nach Großbritannien, wo dieses Spiel 1875 erfunden wurde. WST-Marketing-Chef Tom Rowell sagt: „Wir haben über Jahre hinweg in China Strukturen aufgebaut, Talente gefördert, Turniere etabliert. Jetzt sehen wir, wie das Früchte trägt. Snooker ist in China heute so populär wie Fußball und Basketball.“ Der Sportbusiness-Newsletter Mailman prophezeit: “Expect snooker tables to replace pianos in homes, more kids wielding cues, and China to churn out more world-class players within years.”

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