Sie gehen tagsüber einem normalen Job nach und schreiben abends (oder wann auch immer sie Zeit haben) Erzählungen und Romane. Sie haben das Schreiben nicht gelernt, aber ihre Werke sind trotzdem erfolgreich. Die Rede ist von sogenannten „Amateur-Schreibern“. Über diese wachsende Szene in China schreibt Na Zhong in ihrer Kolumne „What China´s Reading“ in China Books Review (29. Juli). Sie hat sich in dieser „vibrant and growing scene“ umgesehen bzw. eingelesen und festgestellt, dass die Geschichten, die von den Amateur-Schriftstellern erzählt wurden, „granded, urgend and real“ seien. Fünf Autorinnen und Autoren hat sie ausgewählt, deren Werke sie ausführlich vorstellt. Hier eine Zusammenfassung:
- Little Tree von Zhu Maomao (erschienen Mai 2025). Die Zhu Maomao galubte nie Mutter zu werden – bis es zu einer unerwarteten Schwangerschaft kommt. Als bei ihrer Tochter Little Tree im Alter von fünf Jahren eine milde Form von Autismus diagnostiziert wird, stellen sich für sie wichtige Fragen: Welche Schule? Und überhaupt: Welche Zukunft hat meine Tochter? Über die Beantwortung dieser Fragen im Alltag schreibt sie in ihrem Buch.
- The One Who Chases Time von Wang Jibin (Februar 2023). Wang Jibin arbeitete auf dem Bau, als er im jungen Alter von 19 Jahren seine Lust aufs Schreiben von Gedichten entdeckte. Er behielt das aber für sich. Er nahm weitere minderwertige Jobs an, unter anderem arbeitete er in der Stadt Quanzhou als Fahrer. Insgesamt schrieb er über 3000 Gedichte. Eine Auswahl erschien 2023. Na Zhong urteilt: „He writes of hardships and the quiet sorrows of the have-nots: farmers, nannies, cleaners and migrant workers.”
- Bean and Sesame Tea von Yang Benfen (Oktober 2023). Yang Benfen ist in der Szene keine Unbekannte mehr. Sie war 62 Jahre alt, als ihre Mutter starb. Nach deren Beerdigung saß sie allein in der Küche und fühlte, sie müsse die Memoiren ihrer Mutter schreiben. Heraus kam das Werk „Autumn Garden“ (2020). Sie erhielt dafür mehrere Preise. Es folgten zwei weitere Bücher, eines über das Leben in einem Jiangxi-Dorf und ihre Hochzeit. In ihrem neuen Buch Beam and Sesam Tea schreibt sie über Frauen in ihrer Umgebung – eine Nachbarin, eine Klassenkameradin und eine Arbeitskollegin.
- Tiny Dust von Chen Nianxi (Mai 2021). Chen Xianxi arbeitete 16 Jahre lang als Sprengmeister in Gold-, Eisen- und Zinkminen in ganz China. Wann immer es ging, schrieb er in seiner Freizeit Gedichte und Geschichten. Sein Buch Tiny Dust ist eine Sammlung von Essays über Menschen, die er traf, und über Orte, wo er arbeitete.
- I Had A Dream in Chinese von Alessandro Ceschi (Juli 2024). Der Italiener Allesandro Ceschi kam 2016 nach Beijing. In seinem Buch, das in Chinesisch geschrieben ist, beschreibt er das Leben eines Ausländers in China: Na Zhong: „His writing captures moments of connection, culture shock and quiet loneliness.“
Das war eine Auswahl von nur fünf Amateurschriftstellern. Doch die Szene ist natürlich viel größer. „Amateur writing has become a social and cultural phenomen that cannot be ignored today”. Mit dieser Aussage wird Xiang Jing (East China Normal University) in einem Artikel von The Paper (5. Januar 2024) zitiert. Sie nennt neben den oben vorgestellten fünf Autorinnen und Autoren noch weitere, erfolgreiche Amateurschriftsteller: Fan Yusu, Grandma Xinying, Jiang Shumei, Zhang Xiaoman und Hu Anyan.
Letzterer ist der aktuelle Star der Szene. Hu Anyan (Jahrgang 1979) hatte nach seinem Highschool-Abschluss 19 verschiedene Jobs. Als Verkäufer, Fahrradmechaniker oder Pakete-Kurier war er in verschiedenen chinesischen Metropolen stets in den untersten Etagen der chinesischen Gesellschaft unterwegs. Darüber schreibt Hu Anyan, der in seiner spärlichen Freizeit Tschechow und Carver las, in einem Bestseller, der inzwischen in 15 Sprachen erschienen ist. Am 12. Oktober erscheint das Werk auch in Deutsch bei Suhrkamp unter dem Titel „Ich fahre Pakete aus in Peking“.
Info:
Hier der Artikel von Na Zhong in China Books Review: https://chinabooksreview.com/2025/07/29/wcr-amateur-writing/